Die einen sprechen kein Französisch, die anderen schicken die Polizei: Von Berlin nach Brüssel gezogen, stellt der neue Korrespondent fest: am neuen Wohnort geht es ziemlich seltsam zu.

Korrespondenten: Markus Grabitz (mgr)

Brüssel - Ja, es war fahrlässig. Nichts ahnend hatte ich vor dem Umzug aus Berlin den Mietvertrag unterschrieben. Direkt hinter dem kleinen Haus eine Skaterbahn, die würde meinem Sohn gefallen. Zwanzig Schritte bis in den Wald, wir waren die Punker und Scherben in Berlin-Friedrichshain leid. Mit meinem Vermieter Peter sprach ich Französisch. Wenige Tage später auf dem Rathaus, als ich mich anmelden wollte, passierte es: Ich grüßte fröhlich auf Französisch – und schaute in eisige Gesichter. Die Dame vom Amt redete in einer Sprache auf mich ein, die sonderbar klang. „Gelieve volgende documenten mee te brengen: uw rijbewijs, drei pasfoto`sondertekens arbeitscontract . . .“

 

In meinem Viertel ist es verboten, französisch zu sprechen

Ich war sprachlos. Irgendwann erbarmte sich die Frau, beugte sich über den Tresen und flüsterte mir zu: „Hier ist es verboten, Französisch zu sprechen. Hier spricht man Niederländisch.“ Willkommen im Babel Belgien. Nur wenige Kilometer hinter der Stadtgrenze Brüssels, wo französisch und niederländisch gesprochen wird, bin ich in Tervuren gelandet. Eine Hochburg der separatistischen Nieuw-Vlaamse Alliantie (NVA). Hilfe, das ist ja hier wie in Belfast an der Demarkationslinie zwischen Katholiken und Protestanten. Auf der Bank erfahre ich, dass auch „Waschzettel“ für das Konto, das ich gerade eröffne, auf Französisch verboten sind. Erst jetzt sehe ich: Fahrpläne für die Tram, Parkautomaten, das Müllregime („Alle afval dat niet selectief wordt ingezameld.“). Alles auf Niederländisch.

Die Belgier als Nation pflegen ihre alten Gräben

Ja, Brüssel feiert sich gern als Hauptstadt der Europäer, die Belgier als Nation pflegen aber ihre alten Gräben. Niederländisch sprechende Flamen, Französisch sprechende Wallonen. Die Bürokratie hat es auch in sich. Vom „Dienst burgerzaken“ wird peinlich genau gepüft, ob ich mich überhaupt anmelden darf. Ich muss meinen Arbeitsvertrag vorlegen. Es wird moniert, dass dort ein Stempel fehlt, sowie die Angabe Schwarz auf Weiß, dass ich Vollzeit tätig bin.

Dann noch das Ritual mit dem Hausbesuch der Polizei. Punkt sieben klingelt es: Ein Beamter von der „Politie“ steht vor der Tür. Bevor ich den Einwohner-Status verliehen bekomme, müsse er sich vergewissern, dass ich tatsächlich hier wohne. Meine Güte, wenn die Belgier diese Sorgfalt auch bei der Wartung der maroden Atomkraftwerke und der Terrorabwehr an den Tag legen würden. Als der Polizist seine Runde durchs Haus gemacht hat und wieder gehen will, bin ich wieder versöhnt mit Belgien. Er grinst nämlich etwas verlegen zum Abschied und meint: „Entschuldigen Sie mein schlechtes Französisch.“ Mitten in Belgien.