Auf der Marktstraße, wo früher ein Optiker Brillen verkauft hat, spielen jetzt Gott, Teufel, Dämonen und Opfer eine wichtige Rolle. Das Hilfszentrum UKRG ist eingezogen.

Cannstatt-Mitte - Der Schriftzug „Hilfszentrum UKRG“ prangt seit wenigen Wochen in großen Buchstaben an den Scheiben der Marktstraße 15. Doch wem soll da genau geholfen werden und was befindet sich hinter den Türen und Fenstern des Gebäudes? Eine Studentin Namens Sarah Pein erklärt es auf der Internetseite des Hilfszentrums wie folgt: „In dem Moment als der Altar mit dem heiligen Öl übergossen wurde, wurde aus diesem einfachen Ort, an dem vorher ein Optiker war, ein Heiliger Ort. Ein Ort, an dem Gott wohnt. In diesem Hause werden viele Seelen gerettet!“

 

Andere Leute würden es wiederum so formulieren: „In meinen Augen ist das eine gefährliche Sekte“, betont Dekan Eckart Schultz-Berg. Die Universalkirche vom Reich Gottes (UKRG) vollziehe Wunderheilungen. Der Gang zum Arzt werde abgelehnt. Auch werde suggeriert, dass großes „Geben“ großes Lebensglück bedeute. Ein Film auf der Internetseite des Hilfszentrums bestätigt die Einschätzung des Dekans. Zu sehen ist ein junger Mann. Er heißt Luis. Er steht auf einer Bühne, neben ihm ein Pastor des Hilfszentrums, der ihn interviewt. Luis schildert in knapp zehn Minuten, was er früher für ein Mensch war, bevor er zur UKRG gekommen ist. Seine Ehe war am Ende, er hatte Schulden und war alkoholabhängig. Mittlerweile habe er zwei eigene Firmen, lebe in einem großen Haus und könne reisen. Und alles Dank Gott? Grundsätzlich glaubt Luis genau daran. Aber: Wohlstand und Glück von Gott zu bekommen, gibt es im Hilfszentrum nicht zum Nulltarif. Opfer gehören dazu. Und: Je mehr man opfert, desto größer werden die Geschenke. Daran lässt der Pastor keinen Zweifel. Denn Luis könne schließlich nur ein so tolles Leben führen, weil er schon sechs Autos, eine Menge Geld und eine Wohnung „geopfert“ habe. „Die Sekte ist wirtschaftlich äußerst erfolgreich und schafft es schnell, Menschen in psychische Abhängigkeit zu bringen, da alles, was im Leben nicht gut läuft, mangelnder Glaube ist“, sagt Schultz-Berg. Dass es dem Hilfszentrum nicht an finanziellen Mitteln mangelt, zeigt ein Blick auf die Wurzeln der Universalkirche vom Reich Gottes.

Der Gründer saß schon im Gefängnis

Alles begann 1977 in Brasilien, als Edir Macedo Bezerra die Igreja Universal do Reino de Deus gründete, die in Deutschland seit den 1990er Jahren als UKRG bekannt ist. Es gibt unter anderem Ableger in Köln, Hamburg, Frankfurt und Berlin. In Stuttgart sitzt das Hilfszentrum seit rund zehn Jahren an der Paulinenstraße 44. Und nun auch in Bad Cannstatt.

In Brasilien hat der selbsternannte Bischof Macedo rund zwei Millionen Mitglieder, ein eigenes Hörfunk- und Fernsehnetz, Bankgesellschaften, ein Bauunternehmen, Verlage, eine Möbelfabrik und ein Reisebüro, wie im Handbuch „Religiöse Gemeinschaften und Weltanschauungen“ zu lesen ist. Edir Macedo Bezerra saß in Brasilien schon im Gefängnis. Der Vorwurf: Scharlatanerie, Kurpfuscherei und Verunglimpfung anderer Religionen.

Der Bezirksbeirat hofft, dass dem Hilfszentrum gekündigt wird

Aktenkundig sind Bezerra und das Hilfszentrum im baden-württembergischen Kultusministerium allerdings nicht. Dort ist man zwar hellhörig, wenn es um das Hilfszentrum geht, aber außer präventive Maßnahmen zu ergreifen und vor einer möglichen Missionierung zu warnen, könne man nicht, heißt es beim Kultusministerium, dem auch der Sektenbeauftragte des Landes unterstellt ist. Davon lassen sich Bad Cannstatts Bezirksvorsteher Bernd-Marcel Löffler und die Lokalpolitiker aber nicht beirren. Für sie ist klar: Das Hilfszentrum ist nicht willkommen. Die Bezirksbeiräte hoffen, dass die Eigentümer des Gebäudes in der Marktstraße der Universalkirche kündigen, wenn sie erfahren, was sich dort abspielt. Man wolle nicht akzeptieren, dass unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit aggressiv Spenden gesammelt werden. Das sei eine klare kommerzielle Tätigkeit. Das passe nicht.

Die UKRG gehört zur sogenannten neupfingstlichen Bewegung und gilt als äußerst missionarisch. Der Kampf zwischen Gott und dem Teufel beziehungsweise den Dämonen spielt dort eine große Rolle.