Eigentlich soll der Kindesunterhalt für minderjährige Trennungskinder im neuen Jahr steigen. In manchen Fällen passiert aber genau das Gegenteil. Verbände von Familien und Alleinerziehenden sind besorgt.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Stuttgart - Die Anpassung beim Unterhalt für minderjährige Kinder sollte die finanzielle Situation betroffener Familien im neuen Jahr verbessern. Aber kurz bevor die Änderungen an der Düsseldorfer Tabelle, die diesen Berechnungen zugrunde liegt, in Kraft treten, mehren sich Befürchtungen: Viele Bezieher könnten nicht mehr, sondern weniger Unterhaltsleistungen oder sogar nur noch den gesetzlichen Mindestunterhalt beziehen. Die Bundesregierung wolle anscheinend lieber gar nicht wissen, welche Auswirkungen zu erwarten sind, kritisiert die familienpolitische Expertin der Grünen, Franziska Brantner. Sie ist stocksauer über die dürftige Antwort des Bundesjustizministerins auf ihre Anfrage zum Thema.

 

Eigentlich soll der Unterhalt je nach Alter des Kindes und Einkommensgruppe des Unterhaltspflichtigen um sechs bis zwölf Euro im Monat steigen. Aber weil mit der Veränderung der Düsseldorfer Tabelle auch die Einkommensgruppen neu definiert wurden, kommt es unter Umständen zu Verschlechterungen. Insbesondere der Neuzuschnitt der Einkommensgruppe 1, für die von Januar an ein bereinigtes Nettoeinkommen von 1900 statt wie bisher von 1500 Euro netto gilt, könnte folgenreich sein.

Justizminister plädiert auf Unzuständigkeit

„Der Bundesregierung liegen keine Daten zu der Frage vor, wie viele Kinder nach der Änderung der Düsseldorfer Tabelle weniger Kindesunterhalt erhalten“, heißt es im Schreiben des Justizministeriums. „Ebenso wenig gibt es Erhebungen, wie viele Kinder durch die Änderung der Düsseldorfer Tabelle nur noch Anspruch auf Unterhalt in Höhe des gesetzlichen Mindestunterhalt haben.“ Da die Tabelle weder ein Gesetz noch eine Verordnung, sondern nur ein richterlich festgesetztes Tabellenwerk sei, deren Richtwerte eine möglichst gleichmäßige Behandlung gleicher Lebenssachverhalte ermöglichen solle, plädiert das Ressort von Justizminister Heiko Maas (SPD) auf Unzuständigkeit: „Die Ausgestaltung der Düsseldorfer Tabelle liegt also nicht im Verantwortungsbereich des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz“. Das treibt Franziska Brantner auf die Palme.

„In Deutschland sind schon jetzt 2,7 Millionen Kinder armutsgefährdet“, schäumt die Grüne. Angesichts dessen sei es ungeheuerlich, „dass die Regierung blinde Flecken hat und nicht weiß, welche Verschlechterungen sich durch die Veränderung der Düsseldorfer Tabelle ergeben“. Die Regierung sei verpflichtet, „durch Forschungen herauszufinden, welche Gruppen neu gefährdet sind und welche Veränderungen sich negativ auswirken“. Zudem müsse sie erklären, „was man gegen die beschämende Kinderarmut tun kann“.

„Deutlich mehr Kinder werden nur noch den Mindestunterhalt bekommen“

Miriam Hoheisel vom Verband alleinerziehender Mütter und Väter kann genau beschreiben, welche Folgen der Neuerungen am schmerzhaftesten sind. „Durch die Verschiebung der Einkommensgruppen müssen alle Unterhaltspflichtigen, die ein höheres bereinigtes Nettoeinkommen als 1501 Euro haben, im neuen Jahr faktisch weniger zahlen“, sagt sie. Deren Kinder werden demnach nicht mehr, sondern weniger Unterhalt bekommen. Auch würden erwartungsgemäß deutlich mehr Kinder vom Mindestunterhalt leben müssen. Sie erhielten damit nur noch ein bloßes Existenzminimum, das für die Versorgung von Kindern real nicht ausreichend sei. Der Verband hat deshalb in einem Brief die Korrektur der neuen Düsseldorfer Tabelle gefordert und Alleinerziehende zum lauten Protest aufgerufen.

„Damit wird die Kinderarmut steigen“

„Die Neugruppierungen der Einkommen sind eine große Enttäuschung für viele, die tagtäglich die Hauptverantwortung für das Aufwachsen ihrer Kinder schultern“, kritisiert auch Alexander Nöhring, Geschäftsführer des Zukunftsforums Familie. Der Unterhalt sichere die materielle Existenz der Kinder. Schon jetzt führten nicht ausreichende Unterhaltszahlungen häufig zu prekären Einkommenssituationen in vielen Alleinerziehendenhaushalten – und für viele Kinder zu einem Aufwachsen in Armut.