Viele sind am hohen Numerus clausus für ein Medizinstudium gescheitert. Künftig spielt der Notenschnitt unter Umständen gar keine Rolle mehr. Dann entscheidet die Eignung. Aber nicht über alle Studienplätze.

Stuttgart - Es geht um mehr als um Schulnoten, wenn man ein guter Arzt werden will“, sagt Baden-Württembergs Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne). „Es geht um den Umgang mit Menschen, um Leidenschaft für den Beruf, um Verantwortung und Empathie und Belastbarkeit“. Diesen Ansprüchen soll die Zulassung zum Studium künftig gerecht werden. An diesem Donnerstag steht der Entwurf eines Staatsvertrags zur Zulassung zum Medizinstudium auf der Tagesordnung der Sitzung der Bildungsminister der Länder. Bis Ende des Jahres 2019 sollen die Landtage den Vertrag ratifiziert haben.

 

Was wird anders? In Zukunft sollen 30 Prozent der Studienplätze nach der Abiturnote vergeben werden. Bisher waren es 20 Prozent. Bauer findet das in Ordnung. „Wer einen 1,0 Schnitt hat, sollte nicht mehr ins Losverfahren müssen.“ Allerdings relativiere sich im Gesamttableau die Bedeutung der Abiturnote. „Das halte ich für einen Schritt in die richtige Richtung“, sagt Bauer. Die Warteliste entfällt. In Zukunft sollen bundesweit zehn Prozent der Plätze über eine Eignungsquote vergeben werden. Über 60 Prozent der Plätze entscheiden die Hochschulen selbst.

Was wird aus den Wartelisten? Bauer beklagt, die Wartezeiten seien inzwischen auf 15 Semester gestiegen. Das ist länger als das eigentliche Studium. „Das ist eine Verschwendung von Lebenszeit.“ Es wird eine Übergangszeit von zwei Jahren geben. In der Zeit können sich Altbewerber in einem Mix aus Note, Eignungsfeststellung plus Wartezeit in das Auswahlverfahren begeben. Für die Wartelistenbewerber erwartet Bauer „eine gewisse, aber keine absolute Privilegierung“.

Wie wird die Eignung festgestellt? In Baden-Württemberg gab es bisher schon den Medizinertest. Solche Testverfahren werden bundesweit gestärkt. Es muss zur Abiturnote mindestens zwei weitere Kriterien geben. Eine neue Methode wären multiple Miniinterviews mit Schauspielern oder „Social judgement Tests“. So könnte laut Bauer soziale Urteilsfähigkeit in schwierigen ethischen Fragen oder die Reaktion im Umgang mit Patienten abgebildet werden. Diese Methode sei noch sehr neu. „Wir werden das behutsam einführen“, sagt Bauer. Testverfahren können auch kombiniert werden. Die Spielräume werden über den Staatsvertrag festgelegt. Möglich sind Kombinationen aus Abiturnote plus multiple Miniinterviews plus Medizinertest. Oder multiple Miniinterviews plus Note plus Berufserfahrung. Auch Engagement und soziale Freiwilligendienste können einfließen. In der Gewichtung der diversen Testkomponenten will Bauer den Universitäten Spielräume lassen.

Spielt das Abitur keine Rolle mehr? Bundesweit sollen zehn Prozent der Bewerber über reine Eignungsfeststellungsverfahren aufgenommen werden. Es gibt die Option, die Quote auf bis zu 20 Prozent zu erhöhen. Für diese Bewerber spielt die Abiturnote gar keine Rolle mehr. Bauer zeigt sich aufgeschlossen: „Wir wissen noch nicht, wie weit wir gehen werden, wir werden das Instrument in jedem Fall nutzen.“

Warum wird die Zulassung geändert? Das Bundesverfassungsgericht hat im Dezember 2017 verlangt, dass Universitäten standardisierte strukturierte Eignungsgespräche einführen müssen und die Wartezeit begrenzt wird. Die Neuregelung muss Ende 2019 abgeschlossen sein.

Gibt es Besonderheiten im Land? „Hoffentlich bekommen wir durch diese neue Verfahren, die wirklich geeigneten Kandidaten“, sagt Bauer. Sie will auch erreichen, dass sich mehr Medizinstudenten am Ende des Studiums für die Ausrichtung als Allgemeinmediziner entscheiden. „Dazu könnte das Eignungsfeststellungsverfahren einen Beitrag leisten.“