Das neue Radkonzept in der Bahnhofstraße und der Theodor-Heuss-Straße halten etliche Fellbacher für chaotisch. Es kommt immer wieder zu drastischen Szenen zwischen Radlern und Autofahrern.

Fellbach - Das Smiley auf dem Display am Straßenrand signalisierte kürzlich den Verkehrsteilnehmern in der Bahnhofstraße, ob sie in der neuen Tempo-30-Zone auch wirklich korrekt unterwegs sind. Das Lächeln ist auf jener zentralen Fellbacher Nord-Süd-Achse aber so manchem Verkehrsteilnehmer vergangen – Autofahrern ebenso wie Pedaleuren.

 

Der Grund ist die Neugestaltung des Areals. Verbunden mit Tempo 30 ist die Verlagerung des seitherigen Radwegs auf die Fahrbahn. Auf dem Gehweg sind Radler jetzt zwar noch geduldet – dürfen aber laut Straßenverkehrsordnung maximal Tempo 7 draufhaben. Dazu kommt als weiteres Ordnungselement die neue Parallelstrecke in der Theodor-Heuss-Straße, die einen Großteil des Radverkehrs aufnehmen soll.

Theodor-Heuss-Straße Foto: Patricia Sigerist
Mitte Mai hat der auf ein Jahr terminierte Feldversuch begonnen. Mittlerweile wird in der Bahnhof- und der Esslinger Straße mit einem Radarmessgerät scharf kontrolliert, weshalb das Ordnungsamt schon so manchen Strafzettel auf den Weg schicken durfte.

Auch jetzt, nachdem ein Drittel der Testphase vorüber ist, sind drastische Szenen an der Tagesordnung – wie diese: Eine Radlerin tritt wie vorgegeben direkt auf der Fahrbahn in die Pedale. Plötzlich muss sie sich von einem überholenden Autofahrer die wüstesten Beleidigungen anhören: „Verschwinde, scher dich auf den Gehweg, wo du hingehörst!“ Ihre Rechtfertigung: „Man soll doch jetzt auf der Straße fahren, das stand in der Zeitung.“ Sein gebellter Kommentar:, „Halt’s Maul, du alte F. . .!“ (Schimpfwort selbst einfügen). Die Auswahl der Invektive, die der deutsche Wortschatz bietet, scheint in solchen Situationen auch in Fellbach grenzenlos.

Einige Unzulänglichkeiten hat die Bauverwaltung mittlerweile verbessert. Bauhofmitarbeiter haben die bisherigen Rad-Symbole auf den Gehwegen mit roter Farbe überpinselt. Auch wurde an der Bahnunterführung der bisherige Radweg in ein Blumenbeet verwandelt. Die neue Radführung führte anfangs allerdings direkt auf die drei Poller, die zum Schutz der Fußgänger am Gehwegrand aufgestellt waren. Seit Neuestem führt der Radweg in einem kleinen Linksschwenk an der Südwestseite der Kreuzung direkt auf die Straße. Weshalb schon heikle Situationen beobachtet wurden: Aus der Senke der Bahnunterführung heraus beschleunigen viele Autofahrer, wenn die Ampel auf Grün springt – und haben plötzlich einen Radler vor der Nase. Ähnlich ist die Situation am Stuttgarter Platz, wo ebenfalls die Radler durch neue weiße Striche auf dem Teer vom Gehweg auf die Straße gelotst werden sollen.

Die meisten Fahrradfahrer bleiben auf dem Gehweg

Allzu effektiv scheinen die Aktivitäten aber bisher nicht zu sein. Ergebnis einer nicht repräsentativen einstündigen Analyse zur Mittagszeit: Allenfalls 20 Prozent der Radler „wandern“ auf die Straße; gut 80 Prozent bleiben auf dem durch das Schild „Radfahrer frei“ ergänzten Gehweg. An die Schrittgeschwindigkeit halten sich aber weder Kinder noch rüstige Senioren.

Die allgemeine Unzufriedenheit zeigt sich auch in zahlreichen Zuschriften an unsere Redaktion. „Bei diesem Durcheinander in der Bahnhofstraße passt ja hinten und vorne nichts“, heißt es. Manche ärgern sich über Details an Kreuzungen, andere stören sich am großen Ganzen. Etwa in der Theodor-Heuss-Straße. Riesige rote Quadrate auf dem Asphalt signalisieren: Hier ist eine Fahrradstraße. An der Kreuzung zur Wernerstraße wird der Nord-Süd-Vorfahrtsverkehr allerdings ausgebremst, es gilt hier rechts vor links. Doch daran halten sich die wenigsten Autofahrer. Ein Leser ärgerte sich bereits vor Wochen: Die jetzt erfolgte Verlängerung der Fahrradstraße in die Theodor-Heuss-Straße gen Bahnhof sei „absolut chaotisch. Übergang und Weiterführung in die „Theo“ sei völlig unklar: Der direkte und sinnvolle Weg geradeaus über Gehweg sei illegal, da nicht für Fahrräder gedacht. Erlaubt ist hingegen, nach links zu kurven – „doch das ist völlig unpraktisch und gefährlich, da es auch hier bei enger Einfahrt den Autoverkehr in beide Richtungen gibt“. Dann gehe es chaotisch weiter: „Plötzlich verliert die ,Fahrradstraße’ ihre Vorfahrt, und das bei verrücktem Schilderwald.“ Mal heiße es „Fahrradstraße“, dann „Fahrrad frei“.

Die Diskussion über die beste Lösung für den Radverkehr dürfte die Lokalpolitik noch einige Monate beschäftigen.