Hirnforscher aus Tübingen wollen Schlaganfall-Patienten oder Menschen mit Alzheimer helfen: Eine neue Art von Hirnschrittmachern könnte typische Symptome angehen. Wie soll das funktionieren?

Stuttgart - Eine neue Form der Stimulation im Gehirn könnte Einschränkungen bei Demenz oder nach Schlaganfällen abmildern. An der Behandlung solcher Erkrankungen mit einer neuen Generation von Hirnschrittmachern forschen Tübinger Neurologen.

 

Erkrankungen, bei denen Nervenzellen im Hirn allmählich verloren gehen – etwa Alzheimer oder auch Parkinson – sind bislang nicht heilbar. Doch neue Therapie-Ansätze könnten dabei helfen, typische Symptome und Beschwerden abzumildern oder gar aufzuhalten. „Mithilfe von Eingriffen können wir schon länger bestimmte Regionen im Gehirn stimulieren“, sagt Ulf Ziemann, Ärztlicher Direktor der Abteilung Neurologie am Universitätsklinikum in Tübingen. „Wir versuchen mit den neuen Hirnschrittmachern aber, die Probleme viel individueller zu behandeln als bisher – und das nicht-invasiv.“ Von Bedeutung ist das zum Beispiel bei Parkinson oder Alzheimer, aber auch bei psychischen Erkrankungen wie Depressionen. Denn: Bei diesen Erkrankungen funktioniere das Zusammenspiel der Zellen im Gehirn – also der neuronalen Netzwerke – nicht mehr richtig, sagt Ziemann. Nur: Wann genau welcher Bereich im Gehirn betroffen ist und wo es zu Störungen kommt, kann von Patient zu Patient ganz unterschiedlich sein. „Die Behandlung muss hier viel stärker maßgeschneidert werden“, so der Neurologe.

Die Hirnforscher testen eine helmartige Vorrichtung, die Impulse senden kann

Ein herkömmlicher Hirnschrittmacher ist eine Elektrode im Gehirn, die durch Stromimpulse zum Beispiel das Zittern oder motorische Ausfälle bei Patienten mit Bewegungsstörungen reduziert. Nicht alle profitieren von solchen Stimulationen gleichermaßen – und nicht zu jeder Zeit. Ulf Ziemann und sein Team testen deshalb nun eine helmartige Vorrichtung, die den Patienten aufgesetzt wird. Mit ihrer Hilfe sollen ganz präzise genau jene Bereiche der Hirnrinde angesteuert und stimuliert werden, die von einer Störung oder Beeinträchtigung tatsächlich betroffen sind.

„Wir lesen die Signale des Nervensystems in Echtzeit aus“, sagt Ziemann. „Und wir beobachten genau was passiert, wenn wir stimulieren.“ Denn: Die zugehörige Software ist in der Lage dazu, genau zu analysieren, in welcher Millisekunde der gesetzte Impuls einen therapeutischen Effekt hat. Erst dann werde er auch tatsächlich gesetzt. Doch noch liegen ein paar Jahre Forschung vor einem Einsatz im Klinikalltag: „Wir werden dieses Verfahren an Alzheimer-Patienten und Schlaganfallpatienten mit Lähmungserscheinungen an Arm und Hand testen.“

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Personalisierte Ansätze wie dieser sind auch für andere Neurologen ein wichtiges Forschungsfeld – und Thema beim Neurologie-Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, der in diesen Tagen in Stuttgart stattfindet. Mehr als 6500 Neurologen sprechen hier über Erkrankungen wie Schlaganfall, Multiple Sklerose, Epilepsie, Parkinson, Alzheimer oder auch Kopfschmerzen und die Huntington-Krankheit.

Junge Hirnforscher bringen Neues aus der Forschung in Stuttgart auf die Bühne

Beim Science Slam bringen sieben Nachwuchswissenschaftler Neues aus der Hirnforschung auf die Bühne – wortgewandt, witzig und verständlich. Das Ziel der Wortakrobaten: Unterhaltung mit Lernpotenzial auch für wissenschaftliche Laien. Der Science Slam 2019 findet am 27. September ab 20 Uhr in der König-Karl-Halle im Haus der Wirtschaft Baden-Württemberg statt. Tickets gibt es Online.