Marissa Mayer – hier mit dem Tumblr-Gründer David Karp – will aus dem in die Nische abgerutschten Internetpionier Yahoo wieder einen Trendsetter machen. Dafür nimmt sie viel Geld in die Hand und macht auch intern Druck.

Stuttgart - Der Griff in die Kriegskasse ist tief. Auf 600 bis 800 Millionen Dollar (465 bis 620 Millionen Euro) schätzen Insider den Kaufpreis, den der Internetanbieter Yahoo für das Videoportal Hulu auf den Tisch legen will. Das meldet das IT-Blog „All Things D“. Noch ist unklar, ob Yahoo das Rennen macht. Doch die Übernahme würde zu dem Feuerwerk an Akquisitionen und Innovationen passen, das die im Sommer des vergangenen Jahres von Google abgeworbene Yahoo-Chefin Marissa Mayer gezündet hat.

 

Es begann Ende 2012 mit dem Kauf eines winzigen Start-ups aus New York. Die geschätzten 30 Millionen Kaufpreis für ein Unternehmen, das eine soziale App für Mobilgeräte entwickelt hatte, waren ein hoher Preis. Im März 2013 ging für eine iPhone-App ein ähnlicher Betrag an die Minifirma eines 17-jährigen Briten. Stolze 1,1 Milliarden Dollar hat Yahoo vor wenigen Tagen für das Blogportal Tumblr hingeblättert. Auch hier ging Mayer ein hohes Risiko ein. „Kann man mit 117 Millionen Leuten, von denen viele anonyme Pornografienutzer sind oder Kinder, die zu jung sind, um den Werbekunden zu nützen, 105 bis 110 Millionen US-Dollar an Anzeigeeinnahmen umsetzen?“, fragt der US-Internetexperte Shelly Palmer. Nur dann sei der Preis angemessen. Bisher macht Tumblr 13 Millionen Dollar Gewinn im Jahr.

Noch in gleichen Woche jettete die Yahoo-Chefin nach New York um den grafisch und inhaltlich runderneuerten Bilderdienst Flickr zu präsentieren. Dort kündigte sie auch noch an, dass Yahoo das IT-Biotop im Silicon Valley teilweise verlassen wolle. New York soll zum zweiten wichtigen Standort werden. Dort mietet Yahoo erstmals ein Bürogebäude. Die Zahl der Mitarbeiter dort werde in den kommenden Jahren steigen, sagte Mayer.

Für die Mitarbeiter hieß es auf einmal wieder: Ab ins Büro!

Die Yahoo-Chefin, die am Donnerstag ihren 38. Geburtstag feiert, räumt auf. Kurz nach ihrem Amtsantritt machte sie Schlagzeilen, weil sie wenige Wochen später ihr erstes Kind bekam – und trotzdem wenige Tage nach der Geburt am Arbeitsplatz war. Doch Mayer ist nicht nur hart gegen sich selbst. Auch bei Yahoo erzwang sie schon in den ersten Wochen einen Kulturwandel. Den schon vor ihrem Antritt eingeleiteten Arbeitsplatzabbau bei Yahoo hat sie konsequent fortgesetzt. Heute arbeiten noch etwas mehr als 11 000 Menschen für Yahoo. Anfang 2012 waren es noch 14 000. Mayer entließ zudem große Teile der Führungsetage. Schluss war es auch mit der im Silicon Valley selbstverständlich gewordenen Büroarbeit von zu Hause aus.

Nur mit kühnen Schritten, so glaubt sie, kann das in die Jahre gekommene Yahoo, mit dessen Hilfe in den neunziger Jahren viele ihre ersten Suchanfragen im Internet starteten, aus seiner Nischenrolle finden. Seit Jahren dümpelt der Marktanteil vor sich hin – bei den Suchanfragen in den USA lag er im März 2013 noch bei 11,8 Prozent. Eine 2009 eingegangene Partnerschaft mit Microsoft, die Yahoo an dessen Suchmaschinentechnologie bindet, war ein Flop. Mayer will so bald wie möglich aus dem Vertrag aussteigen.

Als neuer Partner ist Google im Visier – die Firma, bei der Mayer mit 23 Jahren als Angestellte Nummer 20 eingestiegen war. Schon bei Google ragte sie aus der Riege der oft sozial ungelenken männlichen Internetpioniere heraus. Die Balletttänzerin und ehemalige Cheerleaderin, die an der Universität Stanford Computerwissenschaften studierte, wurde als „Miss Google“ zum Aushängeschild des Suchmaschinenanbieters. Im Gegensatz zu Sheryl Sandberg, der Geschäftsführerin von Facebook, hat Mayer sich aber nicht zur Frontfrau der Frauenemanzipation in der Männerbastion Informationstechnologie gemacht. Sandberg hat in einem Anfang des Jahres erschienenen, umstrittenen Buch ihre Geschlechtsgenossinnen zu mehr Aggressivität im Kampf um die Karriere aufgerufen. Für sich selbst hat Mayer die Chance bei Yahoo sofort genutzt. Nachdem sie lange ihre Loyalität zu Google betont hatte, griff sie bei einem Gehaltsangebot von 37 Millionen Dollar zu, das Yahoo schon für das erste halbe Jahr auf den Tisch legte – obwohl Mayer damals hochschwanger war.

Vom Platzhirsch zum Nischenanbieter

Pionier
– Bis zum Platzen der Dot-Com-Blase um die Jahrtausendwende war das 1995 gegründete Suchportal Yahoo eine dominierende Größe im Internet. Doch mit dem Aufkommen von Google, dessen Suchtechnologie Yahoo seit dem Jahr 2000 nutzt, verlor die Firma an Boden.

Abstieg
– Heute erzielt Yahoo weniger als ein Zehntel der Werbeeinnahmen und des Umsatzes von Google. Yahoo setzte 2012 noch fünf Milliarden Dollar um. Der Internetanbieter steigerte aber im ersten Quartal 2013 dank massiver Einsparungen den Gewinn um 36 Prozent.