Hannes Steim ist einer der Namen, die in Stuttgart derzeit häufig genannt werden. Nach der Verlängerung für das Fluxus in der Calwer Passage zeichnet Steim bald auch für die Neukonzeption des kränkelnden Einkaufscenters Gerber mitverantwortlich.

Stuttgart - Im September soll der lange angekündigte Neustart des Shoppingcenters Gerber an der Paulinenbrücke endlich sichtbar werden. Die wohl markanteste Veränderung wird sich im Obergeschoss abspielen. Dort wird Hannes Steim versuchen, dem angeschlagenen Center doch noch zum Erfolg zu verhelfen – mit überraschend altmodischen Werten.

 

Hannes Steim öffnet die Tür seines Büros an der Böblinger Straße im Stuttgarter Süden. Verstrubbelt und bärtig setzt er sich vor den Eingang des ehemaligen Juweliers und steckt sich eine Zigarette an. Der Kontrast zu den glatten Typen im Standardanzug mit Aktentäschchen und den Damen im grauen Business-Kostüm, die sonst über Neuerungen im Einzelhandel sprechen, ist mehr als deutlich.

Verärgerung über fehlende Aufmerksamkeit

Was aber noch auffälliger ist, sind die vielen fast angestaubt klingenden Worte, mit denen Steim seine Vorstellung von gut   gemachtem stationären Handel beschriebt: glaubwürdig, vertrauenvoll, authentisch, freundlich, fachkundig und Demut sind Begriffe, die er häufig verwendet. „Das ist es, was mir als Kunde am meisten fehlt, wenn ich etwas kaufen will“, sagt er. „Manchmal schmeiße ich denen die Ware einfach wieder auf den Tisch, wenn sich etwa in einem Laden niemand findet, der Zeit hat zu kassieren, oder die Verkäufer schlicht unhöflich sind“, fügt er hinzu.

Am 25. September nimmt das Gerber-Upstairs den Betrieb auf – also Steims Konzepts für den Neustart des Einkaufszentrums. Bis zu zehn Flächen – rund 20 Prozent des Stockwerks – werden es sein, für die Steim verantwortlich ist. Beginnen wird alles mit dem Designsupermarkt, einem Laden, den er selbst betreibt, und zwei Pop-up-Boxen. „Das sind mobile Ladenflächen, mit denen sich junge Labels oder Geschäfte aus dem Viertel einem größeren Publikum präsentieren können.“

Die Herausforderung reizt Steim

Die Zusammenarbeit von Hannes Steim und dem Gerber geht auf die Erkenntnis zurück, dass das Center bereits kurz nach seiner Eröffnung nicht optimal angekommen ist. „Ich wurde nach meinen Ideen gefragt“, sagt Stein. Bei diesen Gesprächen hatte das Gerber erst wenige Monate geöffnet. „Ideen hatte ich zwar viele, doch ich habe mich gefragt, ob ich das wirklich will, als Einzelkämpfer in so einer großen Struktur eingebunden zu sein“, erinnert er sich. Schlussendlich hat Steim das Angebot angenommen, wohl auch weil ihn die Herausforderung reizt zu sehen, ob es ihm gelingt, das Ruder im Gerber nach einem offensichtlichen Fehlstart wieder herumzureißen.

Steim setzt auf Kunden, die das Gerber bisher mieden

Und um alles noch ein wenig schwieriger zu machen, will Steim ausgerechnet die Menschen in das Einkaufscenter am südlichen Rand der City locken, denen diese Art des Shoppens bisher kaum zu vermitteln war. „Wir müssen uns an Leute wenden, die gute Fachberatung erwarten und etwas kaufen wollen, das einen Mehrwert bietet und nicht sofort kaputtgeht, damit man möglichst rasch neuen Mist kaufen muss.“

Der Wandel im Gerber wird nicht von heute auf morgen machbar sein. „Wir fangen leider nicht bei null an“, sagt Steim. „Da sind Händler drin, für die bedeutet ihr Laden die Existenz. Denen müssen wir eine realistische Option zum Ausstieg bieten.“ Wenn es nach dem Macher des Fluxus geht, könnte ein neuer Shop pro Monat in seinem Bereich eröffnen. Und: „Es wäre schön, wenn dieser Wandel sich auf das restliche Center auswirken würde“, sagt er.

Ein Stadtkaufhaus als Ziel

Geht es also nach dem Kopf von Hannes Steim, wird aus dem austauschbaren Shoppingcenter, das „auf der grünen Wiese bestimmt gut gelaufen wäre“, ein Stadtkaufhaus, in dem die Geschäfte nach dem Prinzip des Tante-Emma-Ladens funktionieren. „Stammkunden kann ich keinen Blödsinn verkaufen, denn dann kommen die nicht wieder.“ Und: „Ich mache im Gerber kein zweites Fluxus auf“, sagt er.

Bei allen Ideen ist ihm in Bezug auf das Image des Centers eines besonders wichtig. „Ich finde, man sollte künftig Demut zeigen“, erklärt er. „Anstatt sich als das neue Herz des Viertels zu präsentieren, dessen Namen man einfach so gewählt hat, wäre es ein Ziel, mit diesem Haus ein anerkannter Teil des Gerberviertels zu werden“, sagt er.