Die CSU wechselt ihren Vorsitzenden aus, zu wahrer Reform fehlt aber noch einiges.

München - Man sollte meinen, nach dieser Serie an Wahlniederlagen hätte die bayerische CSU eine Menge zu diskutieren. Hat sie aber offenbar nicht. Beim Parteitag am Samstag in München ging der Führungswechsel von Horst Seehofer zu Markus Söder ohne Aussprache über die Bühne; den Leitantrag zur Parteireform winkten die 800 Delegierten ohne Wortmeldung durch (hat ihn überhaupt jemand gelesen?), und bei der allgemeinen Antragsberatung am Ende waren schon dermaßen viele „Vertreter der Basis“ abgereist, dass das Treffen wegen Beschlussunfähigkeit vorzeitig beendet wurde.

 

Zurück blieb ein Generalsekretär mit seiner hehren Idee, in der Partei eine „Reform von unten nach oben“ anzuzetteln und die CSU zu einer „echten Mitmachpartei“ umzuformen. Man sieht, wie viel da noch zu tun ist. Auch von mancher anderen Reformidee bleiben vorerst nur Fragezeichen. Getrieben vom Höhenflug der Grünen in Bayern hat die CSU-Führung zum Beispiel mehr Umweltpolitik versprochen. Aber schon hört man Stimmen, auch aus dem Parteivorstand: Ach, diese grünen Dinge – Arten-, Landschaftsschutz, Klimawandel etc. – das seien doch alles nur Wohlfühl- und Luxusthemen, und sobald Bayerns Wirtschaft mal nicht mehr so boome wie heute, dann sorgten sich die Wähler wieder ganz handfest um Industrie und Arbeitsplätze. Also: nicht irritieren lassen!

Allzu selbstsicher

Es ist eine CSU in der Identitätskrise, was sich da beim Parteitag besichtigen ließ. Verloren hat sie bei den Wahlen nach allen Seiten, nach rechts außen, nach grün-links, und dass nicht nur Randständige abgewandert sind, sondern auch traditionelle, wertkonservative Stammwählerschaft, das zeigt sich an den auffallend großen Verlusten bei kirchlich orientierten Kreisen.

In ihrem andauernden „Bayern-ist-das-Paradies“-Gesäusel hat die CSU viel zu lange nicht gemerkt, dass ihr die Definitionsmacht entglitten ist: „Bayern ist die CSU, und die CSU ist Bayern“ – von wegen. Da hilft es vorerst auch nichts, dass Markus Söder als neuer Parteichef den Slogan wiederholt: die gewohnten, allzu gewohnten Zeiten sind dahin.

Somit ist auch der Wechsel an der Parteispitze einstweilen nicht mehr als ein Datum und ein Ende der Hahnenkämpfe. Zu wahrer Reform fehlt noch einiges, auch wenn so mancher – etwa in der regierenden Landtagsfraktion – das nicht wahrhaben will. Man hat ja in den Freien Wählern einen Koalitionspartner gefunden, der ein bequemes, durchaus denkfaules „Weiter so“ erlaubt.

Lieber in die Ferne schweifen

Söder hingegen und Generalsekretär Markus Blume scheinen da einen Schritt weiter. Wenn die CSU mit ihrem Parteitag nun tatsächlich Zeichen für einen Neuanfang gesetzt hat, dann geht das auf die beiden zurück – und noch auf einen anderen. Söder hat entdeckt, dass es neben der Geldgießkanne etwas gibt, das sich „Politik“ nennt. Seine Abgrenzung zur AfD ist nunmehr glasklar; sein neues Motto „Profil mit Stil“ lässt – endlich – die Rückkehr zu kultivierter Diskussions- und Streitkultur erwarten. Der Wille zum Neubeginn ist auch aufseiten der Schwesterpartei CDU unübersehbar. Blumes Konzept für eine Erneuerung der CSU in einem über Monate laufenden Gesprächsprozess klingt überzeugend. Jetzt muss die Basis mitmachen.

Den größten Schwung aber trägt derzeit Manfred Weber in die Partei. Die Aussicht, er könnte – als Bayer! Als Mann einer kleinen Regionalpartei! – Chef der EU-Kommission werden, hat die CSU beinahe in Euphorie und in allzu lange nicht gesehene Europabegeisterung versetzt. Als sei das ihr Werk. Dabei hat Weber seine Karriere aus eigener Kraft geschafft, ohne verlässliche Unterstützung aus München. Jetzt ist er weit oben, dort in der Fremde. Jetzt gilt er geradezu als Heilsbringer. „Dahoam“ scheint ohne ihn ja vorerst nicht mehr viel zu holen.