In dem Titelsong ihrer EP "Black and Blue“ thematisieren Neeve den Alltag mit ADHS und den damit verbundenen Spagat zwischen Reizüberflutung und der Suche nach ständiger Stimulation. Wir haben mit Sänger Felix Seyboth gesprochen. 

Stadtkind: Laura Müller-Sixer (six)

Stuttgart - „In Black and Blue geht es um meine ADHS-Krankheit und die Art und Weise, wie das meinen Alltag beeinflusst", so Felix Seyboth, Sänger der Indie-Pop-Band Neeve. Viele assoziieren mit der sogenannten Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung vor allem Unruhe, Nervosität und Konzentrationsschwäche, doch der 24-Jährige weiß: "ADHS ist weitaus komplexer." Er ergänzt: "Mir fällt es extrem schwer, zur Ruhe zu kommen. Ich brauche ständig Beschäftigung, was mich auch produktiv werden lässt, aber mir selten erlaubt, zu entspannen."

 

Vieles sei auch auf den ersten Blick nicht wahrnehmbar. "In zwischenmenschlichen Beziehungen neige ich dazu, Aussagen und Gefühle in meine Richtung überzuinterpretieren. Das heißt, ich fühle mich sehr schnell angegriffen oder missverstanden. Durch einen Mangel an Serotonin neigen Menschen mit ADHS zu depressiven Verstimmungen und Impulsivität, dadurch werde ich oft als sehr sensibel wahrgenommen." Die Diagnose bekam Felix erst im Erwachsenenalter. "Dadurch fällt es mir inzwischen leichter, mich selbst zu reflektieren und Dinge an mir zu akzeptieren.“

Im Instagram-Teaser zum Song wird Felix mit blauer Farbe übergossen. "Das langsame Einprasseln der Tropfen steht sinnbildlich für die schnelle Reizüberflutung und zugleich die Suche nach ständiger Stimulation."

Bye, Bye toxische Männlichkeit

Neeve beschreiben den Titelsong ihrer EP "Black and Blue" als eine musikalische Mischung aus Coldplay und Sam Fender. Eingängiger Indiepop mit klaren Einflüssen aus der britischen Alternative-Szene. Neben Themen wie ADHS oder Mental Health behandeln die Brüderpaare Felix und Axel Seyboth sowie Philipp und Marius Spohrer unter anderem auch toxische Maskulinität und sagen in "Bye Bye" alten Rollenbildern auf Nimmerwiedersehen. "Als Teenager, der sich die Fingernägel lackiert und Eyeliner trägt, fällt man auf dem Dorf einfach auf", erinnert sich Felix. "Ich wurde schon des Öfteren schief von der Seite angeschaut. Anfangs fand ich das sehr belastend, doch irgendwann habe ich gelernt, zu mir selbst zu stehen."

Aus dem Hobbykeller zum Selfmade Indie-Pop

Alles begann im Hobbykeller mit einem Cover von "I Need A Dollar" von Aloe Blacc. Irgendwann entstanden eigene Songs. Sie spielten ihre ersten Live-Auftritte – erst vor der Familie, dann auf kleineren Bühnen wie in den Stuttgarter Clubs 1210 und Club Zentral und später auch auf ersten Festivals. Musikalisch haben sich Neeve über die Jahre weiterentwickelt: Von der Schülerband über Alternativ-Rock zum popigen Indie-Sound.

"Englischsprachige Bands haben es in der deutschen Musikszene momentan schwer"

Ein Hobby sei das schon lange nicht mehr. Immerhin machen die Jungs von Neeve alles selbst: Produktion, Social Media, Videokonzepte, Fotos und Vermarktung. "Es war schon immer unser Traum und auch Antrieb, Musik zu machen. Wir haben früh angefangen und viel dazu gelernt."

Ihr Ziel für 2021: umtriebig bleiben, Musik veröffentlichen und dem deutschen Musikmarkt trotzen. "Englischsprachige Bands haben es in der deutschen Musikszene momentan schwer, das wird von den Labels einfach nicht gesucht. Deswegen wollen wir uns vor allem auch auf den britischen Musikmarkt konzentrieren und natürlich weiterhin auf Social Media Gas geben."

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