Ja, das ist keine Show für Kinder: Das Stuttgarter Friedrichsbauvarieté eröffnet die Spielzeit mit der Hausproduktion „Next Level Burlesque“ – erotisch, artistisch, witzig, kurzweilig und intelligent.

Stuttgart - Schon erstaunlich: Burlesque ist im Trend. Das Stuttgarter Friedrichsbauvarieté präsentiert abermals ein entsprechendes Programm: „Next Level Burlesque“ heißt die neue Show des Hausregisseur Ralph Sun, mit der man jetzt in die neue Spielzeit gestartet ist.

 

Warum erstaunlich? Weil wir doch in einer Gesellschaft leben, in der zur Schau gestellte Haut so selbstverständlich ist wie Wasser aus dem Hahn. Aber womöglich interessiert man sich in Zeiten, in denen Influencer blankziehen und der nächste Porno nur einen Klick weit entfernt ist, einfach wieder mehr für das kunstvolle Entkleiden. Es geht wohl nicht länger nur ums bloße Gucken.

Um diesen Punkt vorweg abzuhaken: Die Geschlechterverteilung ist ausgewogen. Sowohl die, die an Frauenkörpern interessiert sind, wie auch jene, denen Männer besser gefallen, dürften sich an der Show delektieren.

Der Conférencier Max Nix ist eigens aus dem Ruhestand zurückgekehrt. Im Gepardenmustersakko kommt er mindestens so spritzig daher wie der gleichermaßen gepunktete Schnellbus X1, der zwischen Cannstatt und der Innenstadt hin- und herjagt. Dank seiner Erfahrung weiß der 65-Jährige sich selbst zurückzunehmen. Ein rascher Kartentrick hier, ein tiefes „Yeah!“ da, schon ist die nächste Darbietung angesagt. Der Mann langweilt zu keiner Sekunde. Das schafften hier in der Vergangenheit nicht alle Moderatoren.

Fliegende Äxte, urkomische Slaloms

Von klassischen Burlesque-Tänzen wie denen der Russin Anja Pavlova ausgehend, hebt die Inszenierung das Burlesque-Genre tatsächlich auf ein neues Level. Strippt etwa die Italienerin Janet Fischietto mit einem großen plüschenen Katzenkopf zum Aristocats-Song „Everybody wants to be a cat“ und steht am Ende im Negligé da, geht das schon in den Bereich des Furry-Fetischs – Furry ist, salopp formuliert, eine Subkultur, deren Anhänger gerne Tierkostüme tragen. Später, dann ohne Katzenantlitz, nimmt sie kleopatraesk ein Bad, bei dem sie ihren Körper durch Auswringen eines Schwamms benetzt. Ja, das ist keine Show für Kinder.

Für andersgeartete Erregung sorgen der Messerwerfer Andrei Gomonov und seine Assistentin Darya. Gomonov schnallt sie an eine Drehscheibe und setzt nämliche in Bewegung. Dergestalt fixiert zu sein und zu kreiseln ist bestimmt schon schlimm genug, da braucht man eigentlich niemanden, der noch ein paar Äxte auf einen schleudert. Aber so hat jede und jeder eben sein ganz individuelles Pläsier.

Obzwar sich das Burlesque-Motiv also durch jeden Auftritt zieht, gibt es auch diesmal wieder pulsfördernde Nummern, mit denen das Friedrichsbauvarieté in den letzten Jahren stets begeisterte. Dem Regisseur Ralph Sun gelingt es immer besser, die Shows so zu konzipieren, dass keine Längen entstehen. Wenn der alte Max Nix plötzlich seinen urkomischen Todesslalom auf dem Rieseneinrad fährt oder die Französin Kiki Beguin Sahne mit auf den Brüsten rotierenden Schneebesen schlägt, weiß man wieder, warum es das Varieté braucht – so etwas bekommt man anderswo nicht zu sehen. Ganz nebenbei unterhalten solche Einlagen auch alle Varietéfans, die mit der Burlesque-Ästhetik wenig am Hut haben.

So schön wie die Show ist am Ende auch das Schlusswort von Herrn Nix: „Sie können jetzt gerne an die Bar kommen und uns auch mal anfassen!“ Der eine oder die andere wird das Angebot sicher mit Freude angenommen haben.