Bei der ersten NFT-Versteigerung eines deutschen Auktionshauses kommen an diesem Mittwoch Porträtfotos von Gavin Evans unter den Hammer. Dieser letzte Schrei auf dem Kunstmarkt ist jedoch technisch und künstlerisch absurd, meint Simon Koenigsdorff.

Digital Desk: Simon Koenigsdorff (sko)

Köln - In Köln findet am heutigen Mittwoch die erste NFT-Auktion Deutschlands mit Fotografien von Gavin Evans statt. Das Auktionshaus Van Ham versteigert dabei als erstes deutsches Auktionshaus NFTs zu Porträts von Prominenten wie dem Schauspieler Daniel Craig oder den Musikern David Bowie und Björk. NFTs (Non-fungible tokens) sind digitale Besitzurkunden für digitale Kunstwerke, die in einer dezentralen Datenbank, der Blockchain, gespeichert werden. Ähnlich wie Blockchain-Kryptowährungen sollen sie fälschungssicher sein und erzielen teils astronomische Preise - doch ihr Konzept ist fragwürdig, erst recht für den Kunstmarkt.

 

Denn NFTs enthalten nicht das Werk selbst, sondern lediglich einen Verweis auf eine andere Internetseite, auf der das Original liegt. Diese Seiten neigen dazu, regelmäßig im Nichts zu verschwinden. Selbst wenn der Besitzanspruch auf ewig in der Blockchain verbrieft ist und das Original - wie im Fall der Evans-Fotos - in einer weiteren dezentralen Speicherlösung liegt, kann es jederzeit perdu sein. Denn auch diese vermeintlich beständigen Speicher ruhen vor allem auf den Schultern von Start-Up-Firmen, deren Überleben völlig ungewiss ist.

Absurde Spekulationsblase

Kopiergeschützt ist das Werk nicht, weil es im Wesen des Digitalen liegt, dass Daten verlustfrei vervielfältigt werden können. Interessenten der Kölner Auktion werden darauf ausdrücklich hingewiesen. Das stört NFT-Jünger zwar nicht, weil sich in ihrer Welt der Sammlerwert der NFT-Besitzurkunde unabhängig von der alleinigen Verfügungsgewalt über das Werk entwickelt. Es macht die Sache aber nicht weniger absurd. Denn: Jeder kann mit einer Kopie einfach sein eigenes NFT erstellen und verkaufen - auch darauf weist das Kleingedruckte des Auktionshauses hin. Und im Gegensatz zu herkömmlichen Kunstdrucken sind digitale Kopien tatsächlich identisch zum Original.

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So entfernen NFTs sich zusehends von der Idee, Künstlern im Digitalen mehr Kontrolle über ihre Werke zu geben. Das sagt inzwischen sogar einer der Erfinder, Anil Dash, der im April im US-Magazin „Atlantic“ konstatierte, die Umsetzung sei auf mehreren Ebenen an diesem Ziel vorbeigeschossen: NFTs seien ein technisches Kartenhaus, eine kurzlebige Spekulationsblase für Opportunisten, die durch den immensen Stromhunger der Blockchain auch noch unser Klima zerstören.

Mit den NFTs versteigert das Auktionshaus übrigens auch je einen signierten Druck des Werks. Das ist nicht weiter ungewöhnlich für Kunstauktionen, man kann es aber auch als Eingeständnis sehen: Es geht eben selbst bei vermeintlich revolutionärer digitaler Kunst nicht ganz ohne ein physisches Original.