Wer im Restaurant die Weinkarte verlangt, trifft auf Kenntnis und Vielfalt. Wer, warum auch immer, keinen Alkohol will, wird auf Schorle und Limo verwiesen. Doch die Nachfrage nach interessanten nichtalkoholischen Getränken zum guten Essen steigt.

Stuttgart - Freilich würde Riesling gut zum Spargel passen und anschließend ein kräftiger Roter zum Reh. Und es ist ja nicht so, dass man eine Spaßbremse sein will, aber heute ist es einem nicht nach Wein oder Bier. Teilt man sich als Paar eine Flasche, ist man anschließend ziemlich knülle. Nein, man ist auch nicht schwanger, kein trockener Alkoholiker und nicht zum Islam übergetreten. Der Ober, der gerade noch freundlich die Weinkarte präsentierte, verweist auf Wasser, Cola, Fanta, Saft – Kindergetränke. Dass es auch anders geht, zeigen Angebote in einigen wenigen Top-Restaurants. Einige eher kleine Getränkehersteller reagieren und entwickeln neue Rezepte jenseits von Limo und Schorle.

 

Der Berliner Küchenchef Sebastian Frank („Horváth“ ) sieht diesen noch zarten Trend als folgerichtige Entwicklung. Er schreibt: „Immer mehr Menschen entwickeln ein neues Bewusstsein gegenüber dem Genuss von Speisen und Getränken und haben einen maßvollen Umgang mit Alkohol.“ Die Food-Autorin Nicole Klauß sagt in ihrem aktuellen Buch eine neue Trinkkultur voraus: „Ohne ist das neue mit“. Ihr Tipp: „In den nächsten drei bis fünf Jahren wird sich da viel tun.“ „Food-Pairing“ heißt das Zauberwort: Welches Getränk passt zu welchen Speisen? Viele der Tipps für delikate alkoholfreie Alternativen stammen aus ihrem Buch.

Wasser nicht zu kalt trinken

Wasser löscht nicht nur den Durst. Man kann Mineralwasser bewusst als Essensbegleiter wählen. Die Art der enthaltenen Mineralien und der Kohlensäuregehalt bestimmen den Geschmack. Je deftiger das Essen desto mehr Kohlensäure verträgt es, die fördert übrigens auch die Verdauung. Nicht zu kalt trinken: die beste Temperatur liegt zwischen 10 und 12 Grad, Heilwasser 17 Grad. Im Internet findet man unter der Adresse mineralwasserkompass.de 15o Mineralwassersorten im Vergleich. Wer sich einlesen will: Der Berliner Wassersommelier Steguweit beschreibt in seinem Buch „Wasser – Trendsetter und Statussymbol“ wohin die Reise geht.

Reinsortige Apfelsäfte als Begleiter für ein ganzes Menü

Saft macht satt und sollte nicht als Durstlöscher betrachtet werden, im Weißweinglas servieren, nicht mehr als 0,1 Liter und nicht zu kalt, zwischen 8 und 12 Grad. Reinsortige Apfelsäfte können gute Begleiter für ein ganzes Menü sein. Diese Säfte, oft aus alten geschmacklich starken Sorten, werden von einzelnen Anbietern mittlerweile wie Wein kultiviert. Der exklusive Safthersteller Thomas Kohl empfiehlt zum Beispiel auf seiner Homepage Saft von der Ananasrenette zu Spargel und Risotto, Saft vom Elstar zu Speck und gebackenen Desserts.

Gemischte Säfte und Priseccos in Fülle

Säfte kann man mischen und/oder aromatisieren. Nicole Klauß gibt Anregungen und rät zum Ausprobieren: Apfel mit Karotte passe beispielsweise zu Wok-Gerichten, Apfelsaft mit Holunder zu Wild und Lamm. Verdünnte Sauerkirsche passe zur Weihnachtsgans und Pflaume zu Gegrilltem. Wer zu Bewährtem greifen will: Jörg Geiger hat in seiner Getränkemanufaktur in Schlat (Kreis Göppingen) eine kaum überschaubare Fülle von Säften und sogenannten Priseccos entwickelt, die sich aus raffinierten Kombinationen von Fruchtsäften mit Kräutern, Blüten und Blättern zusammensetzen.

Die Wein-Kolumnistin des „Guardian“ Fiona Beckett gibt immer öfter „Pairing“-Tipps mit Säften, die die klassische Kombination mit Wein ersetzen. Wo ein Riesling passt, passt auch ein Saft aus Rieslingtrauben, Champagner ersetzt ein Apfelschorle von Elstar mit Holunderblütensirup und der Saft der Kirschsorte Morellenfeuer ersetze den Chianti. Wer gern experimentiert findet in Nicole Klaußens Buch ungewöhnliche Saftkreationen mit Kräutern und sogar Salat, die Aromazutat jeweils passend zum Gericht ausgewählt.

Milch und Joghurt – mal pur, mal gemixt

Milch fällt einem nicht unbedingt gleich ein, aber vielleicht wäre es einen Versuch wert. Die Expertin empfiehlt eine Heumilch von Weiderindern. Das Problem: Milch macht satt, also nur eine kleine Portion. Sie passt auch nicht zu säurehaltigen Sachen wie Salat, Tomaten, Zitrusfrüchten, Frittiertem. Die Faustregel: Kalte Milch zu warmen Speisen, warme Milch zu kalten, zum Beispiel eine Schokoladenmousse mit einem Shot (Schnapsglas) heißer Milch.

Deutlich anpassungsfähiger sind Getränke auf der Basis von Joghurt, Kefir und Buttermilch. Der türkische Ayran (Joghurt, Wasser, Salz) und das indische Lassi (nicht zu süß) gelten als perfekte Begleiter für stark gewürzte Speisen. In einem transparenten Glas sehen sie schön aus.

Immer den passenden Tee finden – aber bitte lauwarm servieren

Tees können ebenfalls exzellente Begleiter zum feinen Menü sein. Man serviert ihn lauwarm, pur und ungesüßt in einem dünnwandigen Teeglas. Der österreichische Tee- und Gewürzhersteller „Sonnentor“ hat eine hübsche Broschüre mit vielen detaillierten „Pairings“ zusammengestellt, gegliedert nach Kräutertee, Gewürztee, Rooibos, Schwarz-, Grün- und weißen Tee. Einige Beispiele: Zitronenverbene passt zu mediterran gewürztem Gemüse und Antipasti, Lindenblüten zu Schokokuchen und Gugelhupf, griechischer Bergtee zu einem Chilli.

Selbst Früchtetee mit Hagebutte und Hibiskus (sonst eher ein Kindertee) ergänzen laut „Sonnentor“ Wiener Schnitzel, Wild und Obststrudel, während Rooibos zu Kuchen und Fruchtsalaten passe. Vor allem asiatische Gerichte – von Sushi bis Thai-Currys – profitieren von grünen Tees, eine Grüntee-Lemongras-Mischung entpuppe sich als alkoholfreie Begleiter zum traditionellen Weihnachtsmahl. Auch Nicole Klauß empfiehlt Tees. Ihr Spezialtipp: warmen Tee zum Käse, „dann verschmelzen der Tee und der Käse buchstäblich miteinander.“

Infused Water, Kefir und Co

Aromatisiertes Wasser – auch Infused Water genannt – kann sich eng an das Essen anpassen, zu dem es serviert wird. „Mit einem aromatisierten Wasser haben Sie eine spannende Alternative zu Wasser und eine leichte zu Saft“, schreibt Nicole Klauß. Man nehme Leitungswasser oder Mineralwasser und lasse nach Gusto aromatische Zutaten wie Zitrusfrüchte, Erdbeeren, Basilikum, Gurke, Minze und sogar Chili darin ziehen. Gekühltes Kokoswasser ist eine Variante zu asiatischen Speisen.

Die Exoten gibt es auch noch. Nicole Klauß widmet Kombucha, Wasserkefir und Shrubs viele Seiten. Wer in der Schule Chemie liebte, dem macht es sicher auch Spaß mit dem Kombucha-Pilz zu experimentieren oder mit den sogenannten Japankristallen (entfernten Kombucha-Verwandten, einer Symbiose aus Hefe und Milchsäurebakterien) Wasserkefir zu brauen. Es muss sehr kreativ sein. Vielleicht überlässt man das aber auch den unternehmungslustigen Gastronomen.

Wobei, es klingt schon interessant: Zum Gänsebraten wird ein Wasserkefir empfohlen fermentiert mit getrockneten Feigen, Pflaumensaft und Zitronenzesten, abgerundet mit Zimtsirup. Hinter Shrubs & Co verbergen sich altehrwürdige Erfrischungsgetränke auf der Basis von Essig, Frucht und Zucker. Auch hier gilt: ausprobieren.