Nichts für schwache Nerven Was das Kriminalmuseum in Böblingen so besonders macht

Im Kriminalmuseum in Böblingen erhält man einen Blick hinter die Kulissen der Kriminaltechnik. Foto: Stefanie Schlecht

Wer das Kriminalmuseum in Böblingen besucht, darf nicht zartbesaitet sein. Zwischen Tatwaffen, Leichenteilen und echten Tatortfotos zeigt Kriminalkommissar Rolf Fauser, was er jahrzehntelang im Dienst gesehen hat. Öffentlich zugänglich ist das Museum nicht – das hat seinen Grund.

Volontäre: Janina Link (jali)

Rolf Fauser hatte einen am Telefon bereits vorgewarnt: „Wenn man keine Leichen sehen kann, ist es besser, man kommt nicht.“ Dass das Kriminalmuseum in Böblingen kein gewöhnliches Museum ist, wird einem dann spätestens beim Blick auf das „FSK18“-Warnschild im Eingangsbereich klar.

 

Zwei Besucher seien beim Besuch des Museums schon ohnmächtig geworden, erzählt der 64-Jährige – aber vielleicht hätten sie auch einfach zu wenig getrunken, komme ja schon mal vor.

Der Kommissar hat eine Schädelsammlung

Was man in den von der Landespolizei bereitgestellten Räumlichkeiten im Wildermuth-Areal Böblingen findet, ist auf jeden Fall nichts, was man alltäglich zu Gesicht bekommt – es sei denn, man ist jahrelanger Kriminaltechniker wie Fauser. Als Erster Kriminalhauptkommissar beim Landeskriminalamt in Stuttgart kann der Pensionär auf eine ganze Reihe von Kriminalfällen zurückschauen, an deren Aufklärung er beteiligt war. Und in all den Jahren hat sich eine ganze Menge an Beweismitteln angesammelt.

„Ich habe ganz viel davon bei mir zu Hause im Keller stehen, bestimmt 30, 40 Umzugskartons voll mit Zeug“, sagt Fauser, der auch nach seiner Pensionierung noch als Dozent tätig ist. Unter anderem eine umfangreiche Schädelsammlung nennt er sein Eigen, über die seine Frau beim Aufräumen des Kellers so manches Mal unfreiwillig gestolpert sei. „Dann hat sie immer geflucht“, erzählt Fauser und lacht. Mittlerweile sind die Schädel aus dem Keller der Fausers aus- und in die Räumlichkeiten des Kriminalmuseums eingezogen.

Andere sammeln Briefmarken, bei Fauser sind es Schädel. Foto:  Stefanie Schlecht

Dort sind sie nun in einer Glasvitrine zwischen anderen Beweismitteln echter Verbrechen ausgestellt – wie historischen Schusswaffen, Falschgeld und verschiedenen Tatwerkzeugen, darunter eine Bügelsäge, mit der ein Opfer zerlegt wurde. Auch Tatortfotos von Selbstmorden und Morden sind in der Ausstellung zu finden.

Das Kriminalmuseum dient vor allem der Fortbildung

„Es wäre niemals zulässig, dass hier Menschen einfach ohne Führung durchspazieren“, sagt Fauser. Vielmehr ist das Kriminalmuseum hauptsächlich für die Fortbildung von Kriminalbeamten gedacht und nicht ohne Weiteres für die Öffentlichkeit zugänglich. „Es sind nun mal echte Fälle. Das wäre ethisch, moralisch und rechtlich nicht vertretbar.“

Bislang haben etwa 1700 Personen das Museum besucht, hauptsächlich Polizeibeamte sowie Angehörige weiterer Blaulichtorganisationen wie Feuerwehrleute. Auch viele Kollegen aus dem Ausland sind schon nach Böblingen gekommen, um an einer Führung im Museum teilzunehmen. „Vor ein paar Tagen hatte ich Polizisten aus Chile da und im vergangenen Monat waren einige Kollegen aus Ankara zu Besuch.“

Auch viele Sammlerstücke ausgestellt 

Das Kriminalmuseum in Böblingen entstand, nachdem das frühere, bereits 1953 errichtete Kriminalmuseum an der Landespolizeischule in Freiburg 2014 im Zuge einer Reform geschlossen wurde. Fauser wollte die Ausstellungsstücke retten. Er nahm vieles davon mit, ergänzte die Sammlung mit eigenen Exponaten und baute in Böblingen ein neues Museum auf, das Ende 2022 eröffnete. „Ich habe das alles hier selbst gemacht, mit der Hilfe meiner Frau.“ Auch viele Sammlerstücke sind im Museum zu finden, manches davon noch aus Freiburg – wie ein selbst gebauter Schießkugelschreiber oder eine im Gehstock eingebaute Waffe.

Tückisch: Wenn man diesen Gehstock auszieht, kommt der Lauf einer Waffe zum Vorschein. Rolf Fauser demonstriert es. Foto:  Stefanie Schlecht

Ob getarnt, umgebaut oder selten – Fauser, selbst aus einer Tüftlerfamilie, kann sich für alles begeistern, was technisch ungewöhnlich ist. Als langjähriger Kriminaltechniker sammelt er seit über 30 Jahren Asservate, die für ihn mehr sind als Beweismittel: Sie erzählen Geschichten. Und es sind oft grausame Geschichten, die hinter den im Museum ausgestellten Tatmitteln stecken.

„In über 90 Prozent der Fälle waren die Opfer Frauen“

Einige der Tötungsdelikte reichen bis in die 1940er- und 1950er-Jahre zurück. Auffällig dabei: „In über 90 Prozent der Fälle waren die Opfer Frauen“, sagt Fauser. „Oft wurden sie aus den niedersten Beweggründen getötet.“

Die dargestellten Täter: alles Männer. Foto: Stefanie Schlecht

Gewalt gegen Frauen zieht sich wie ein roter Faden durch einige der ausgestellten Fälle – auch das Thema Abtreibung hat Fauser im Museum aufgegriffen. In einer Vitrine zeigt er Original-Asservate aus illegalen Schwangerschaftsabbrüchen. „Abtreibungen mit Stricknadeln oder Fahrradspeichen waren nichts Ungewöhnliches – das ging bis in die 80er und 90er Jahre“, sagt er. „Oft waren es keine Ärzte, sondern Laien, die sich an den Frauen vergangen haben.“

Im Museum ist auch ein sogenannter Cold Case aus dem Jahr 1928 ausgestellt: Der Fall von zwei Lehrerinnen aus Mannheim, die während einer Wanderung im Schwarzwald erschossen und mit durchgeschnittener Kehle gefunden wurden. „Kollegen sicherten damals Spuren, die man noch nicht auswerten konnte“, sagt Fauser. „Wenn ich vor den Fotos der beiden Frauen stehe, denke ich oft: Wie kann man sein Leben so verlieren? Sie wandern im Schwarzwald und werden einfach erschossen.“

Fauser erklärt, dass es ihm auch darum geht, solche Fälle im Museum wachzuhalten. „Was diesen Frauen passiert ist, darf nicht vergessen werden.“

Das Kriminalmuseum in Böblingen

Zweck
Mit dem Kriminalmuseum sollen anhand ausgewählter Exponate reale Einblicke in die Kriminalitätsentwicklung, Kriminalitätsprävention und in die Verbrechensbekämpfung ermöglicht werden. Die Bilder von Todesdarstellungen sind tatsächliche Lehrinhalte zum Thema Todesermittlungen für die kriminal-polizeiliche Fortbildung.

Ausstellungsinhalte
Ähnlich einer Verbrecherkarriere steigern sich die vorgestellten Straftaten von Diebstahl über Raub, Rauschgift, Falschgeld, dem Einsatz von Waffen und Sprengstoff bis hin zu Suiziden und Tötungsdelikten. Die große Anzahl der Asservate und deren historischer Hintergrund wurde auch mit aktuellen Kriminalfällen wie der Schlecker-Entführung und dem Flugunfall Überlingen ergänzt. Auch ein beschlagnahmtes Domina-Studio ist im Museum aufgebaut.

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