Der Journalist Nick Reimer warnt schon lange vor den dramatischen Folgen des Klimawandels. In seinem Buch „Deutschland 2050“, das er nun bei der Esslinger Lesart vorgestellt hat, zeigt er, was uns droht, wenn die Menschheit nicht gegensteuert.

„Aprikosen aus Hamburg, öffentliche Kühlräume für Berlin. Steppenlandschaft in Brandenburg, Tigermückenplagen im Rheinland. Starkregen und Sturzfluten, Waldsterben, ausgetrocknete Seen.“ Es ist ein düsteres Szenario, das Nick Reimer und Toralf Staud in ihrem Buch „Deutschland 2050“ skizzieren. Die beiden Journalisten zeigen, wie der Klimawandel das Leben verändern wird – nicht nur irgendwo in fernen Regionen dieser Welt, sondern auch vor der eigenen Haustüre. Viele Entwicklungen sind schon längst viel weiter fortgeschritten, als es uns allen lieb sein kann. Manches ist bereits unumkehrbar, bei vielem ließe sich mit entschlossenem Handeln das Schlimmste noch verhüten. Und wer Nick Reimer bei den Esslinger Literaturtagen Lesart im engagierten Dialog mit Johannes M. Fischer, dem Chefredakteur der Eßlinger Zeitung, erlebt hat, ging in dem Bewusstsein nach Hause, dass jeder mit seinen Möglichkeiten Verantwortung für das Klima übernehmen muss. Jeden Tag aufs Neue.

 

„Es wird noch schlimmer“

Forscher erwarten, dass die Temperaturen hierzulande bis 2050 durchschnittlich um zwei Grad ansteigen werden. Solche Veränderungen können Ökosysteme aus dem Gleichgewicht bringen: Extremwetter, Artensterben, Krankheiten und ein Anstieg der Meeresspiegel sind die Folgen. „An extremen Wetterereignissen sehen wir bereits, dass etwas aus den Fugen geraten ist. Und es wird noch schlimmer“, warnte Nick Reimer im Kronensaal der Kreissparkasse. Und er ist sich sicher: „Uns droht ein sich selbst verstärkender Klimawandel, der irgendwann nicht mehr zu stoppen ist. Wir leben in ganz entscheidenden Zeiten.“ Reimer und Staud haben vor bereits 15 Jahren in ihrem Buch „Wir Klimaretter“ Wege aufgezeigt, wie die Wende noch zu schaffen wäre. Solche Appelle sind viel zu lange ungehört verklungen. Doch je deutlicher sich der Klimawandel zeigt, desto größer wird das Interesse. „Deutschland 2050“ zählt inzwischen zu den meistverkauften Sachbüchern.

Nick Reimer wird nicht müde, die Gefahren eindringlich und anhand vieler Beispiele zu benennen. Dass andere Regionen dieser Welt schon weitaus schlimmer betroffen sind, ist für ihn ein schwacher Trost. Denn überall sind es Menschen, Tiere und Natur, die leiden. Wenn Gegenden etwa wegen unerträglicher Temperaturen oder Wasserknappheit unbewohnbar werden, drohen Massenfluchtbewegungen. Und wenn etwa die Schmelze des Grönländischen Eisschilds irgendwann nicht mehr aufzuhalten ist, lassen dramatisch steigende Meeresspiegel auch deutsche Städte versinken.

Umdenken nötig

Weil solche Szenarien schon lange bekannt sind, fragt sich Nick Reimer: „Warum hat die Menschheit das nicht besser hinbekommen?“ Und er gibt sich selbst die Antwort: „Wir haben noch nicht verstanden, wie ernst die Lage ist. Viele verharren in der Vorstellung, dass der Wohlstand dauerhaft zu ihrem Leben gehört. Wenn alle auf der Welt so leben würden wie wir, wären die Kipp-Punkte längst überschritten.“ Deshalb ist für Reimer klar, dass ein tief greifendes Umdenken nötig ist: „Weshalb sollten wir die Probleme, die uns unsere kapitalistische Art des Wirtschaftens eingebracht hat, in denselben Strukturen lösen?“

„Und was können wir tun?“, wollte Johannes M. Fischer wissen. „Es gibt viele Ansatzpunkte, woraus man Hoffnung schöpfen kann“, findet Reimer. „Wenn Klimaschutz allerdings nichts kosten darf, wird’s schwierig.“ Er setzt darauf, dass jeder Einzelne seinen Beitrag leistet – und dass die Politik wirksame Instrumente entwickelt, um Klimaschutz durchzusetzen. Und er forderte alle, die sich engagieren wollen, auf, sich zu organisieren, Politik und Verwaltung zu unterstützen, aber auch Druck zu machen. Nicht nur die Mitglieder des Esslinger Klimagerechtigkeitsbündnisses, die zahlreich in den Kronensaal gekommen waren, haben den Appell vernommen.