Nicole Hoffmeister-Kraut Wirtschaftsministerin mit Frust im Herzen

Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) 2017 unterwegs in Israel – dem Traumland der digitalen Start-up-Unternehmen. Hier in Tel Aviv. Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut Foto: dpa/Corinna Kern

Als Seiteneinsteigerin hat es Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) in der Landesregierung schwer. Das liegt nicht nur, aber schon auch an den Grünen und Ministerpräsident Winfried Kretschmann.

Stuttgart - Geht das einfach so? Ja, das geht einfach so. Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) war noch nicht lange im Amt, als sich ihr Chef, Ministerpräsident Winfried Kretschmann, ihrer Wirtschaftsdelegationsreise in die Start-up-Nation Israel anschloss. Last minute, gewissermaßen. Die Folge: Wo ein Ministerpräsident unterwegs ist, läuft die Fachministerin nur noch nebenher. Das musste die Politiknovizin aus einer Balinger Unternehmerfamilie schnell lernen.

 

Das Problem ist struktureller Natur, nichts Persönliches. Kretschmann ist auch nicht misogyn. Aber Wirtschaftspolitik ist nun mal wahlentscheidend, Kretschmann denkt da klassisch, mögen andere noch so viel von Identitätspolitik reden. Auch Verkehrsminister Winfried Hermann spürt Tag für Tag misstrauische Blicke aus dem Staatsministerium im Nacken.

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Die Verstimmung zwischen Staatsministerium und Wirtschaftsministerium aber geht tiefer. „Das ist wirklich eine Kampfbude“, heißt es in der Regierungszentrale über das widerborstige Ressort. Unvergessen ist das Tauziehen um die Reform der Landesbauordnung, welche die CDU unbedingt liberalisieren wollte. Dagegen stritten das Umwelt- sowie das Verkehrsressort um jeden Fahrradstellplatz und jeden Flecken Fassadengrün.

Kretschmann schlägt sich auf Seite seiner Parteigefährten

Regierungschef Kretschmann beäugte das Treiben mit wachsenden Anzeichen allerhöchster Missbilligung. Inhaltlich schlug er sich auf die Seite seiner beiden Parteigefährten Franz Untersteller und Winfried Hermann. Hoffmeister-Kraut, für den Wohnungsbau zuständig, wiederum fiel Großzügigkeit auch nicht ganz leicht, sah sie sich doch verpflichtet, der CDU-Fraktion Ergebnisse zu liefern. In deren Reihen finden sich zu jeder Zeit zahlreiche Parteifreunde, die sich selbst sowieso für den besseren Minister halten. Pech für Hoffmeister-Kraut: Ausgerechnet den Wohnungsbau bezeichnet Kretschmann als den einzigen Politikbereich, wo er noch links ticke. Der Regierungschef hätte sich die Wiedererrichtung einer Landesbaugesellschaft durchaus vorstellen können. Deshalb kam auch der von Hoffmeister-Kraut bereits im Sommer 2018 konzipierte Grundstücksfonds, mit dem das Land den Kommunen bei der Bodenbevorratung für den Wohnungsbau unter die Arme greifen will, nicht voran.

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Die Pläne aus dem Wirtschaftsministerium gingen Kretschmann nicht weit genug. Er wollte mehr. Das Trachten der Grünen-Fraktion wiederum ging dahin, das Thema Bauen nicht der CDU zu überlassen. Die Fraktionsgrünen versuchten mit mäßigem Geschick, das Thema selbst zu besetzen. Als man sich endlich einigte, lud Hoffmeister-Kraut als verantwortliche Ministerin kurzfristig zu einem Pressestatement. Dieses musste sie auf Druck des Staatsministeriums aber wieder absagen. Vor die Presse treten ohne den Ministerpräsidenten? Was erlauben Hoffmeister-Kraut! Den Grundstücksfonds gibt es immer noch nicht. Das von den Grünen geführte Finanzministerium prüft intensiv steuerliche Fragen. Der Fonds ist jetzt für den Sommer angekündigt – also Sommer 2020.

Vor die Presse? Nicht ohne den Ministerpräsidenten!

Zuletzt stieg im Wirtschaftsressort der Blutdruck, als die große Koalition in Berlin Beschlüsse fasste zur Zahlung von Kurzarbeitergeld bei gleichzeitiger Fortbildung der betroffenen Arbeitnehmer – und das Staatsministerium dies als Erfolg Kretschmanns darstellte, der nur einen Tag vor der Koalitionsrunde einen Brief an Kanzlerin Angela Merkel gerichtet hatte. Dabei hatten lange zuvor Hoffmeister-Kraut sowie IG-Metall-Bezirksleiter Roman Zitzelsberger und Südwest-Metall-Chef Stefan Wolf nach Berlin gekabelt. Die Vorarbeiten lagen bei Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Und die Wirtschaftsministerin trägt Frust im Herzen.

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