Vor einigen Jahren war sie eine sehr, sehr dicke Frau. Doch sie gab nicht auf, nahm extrem ab und schrieb darüber ein Buch. Heute gilt Nicole Jäger als Shooting-Star in der Comedy-Szene.

Stuttgart - Das mit dem Dicksein, das ist so eine Sache. Einerseits hat ihre Körperfülle der 36-jährigen Hamburgerin Nicole Jäger ihr überhaupt zu ihrer Bekanntheit verholfen. Damals, als sie sich aus eigener Kraft und ohne Magenverkleinerungs-Operation von ehemals 340 Kilogramm Körpergewicht auf 170 Kilogramm halbierte und darüber ihr Buch „Die Fettlöserin“ schrieb. Denn das Buch hatte seinerzeit eingeschlagen wie eine Bombe: Auftritte in Talkshows und Radiosendungen, Interviews, Bestseller-Zahlen, der berufliche Erfolg als Ernährungsberaterin – das komplette Programm.

 

Andererseits soll es jetzt auch mal gut sein mit dem Thema „dick“. Obwohl: So ganz funktioniert das eigentlich nicht. Kann es auch gar nicht. Denn schließlich war genau jenes Thema auch der Auslöser für das, was Nicole Jäger jetzt macht, und was sie in dieser Woche nach Stuttgart ins Theaterhaus führt. Denn aus den Lesungen zum Buch entstand ihr erstes Stand-Up-Programm „Ich darf das, ich bin selber dick“. Und das, obwohl ihr der Verlag damals von dieser Idee abgeraten hatte. „Keine Chance, für so ein Programm brauchst du mindestens fünf Jahre“, habe es dort geheißen. „Mein PR-Mann hat aber dann einfach eine Location in Bonn gebucht, und so stand ich also im Januar 2016 das erste Mal auf einer Bühne und habe den 200 Leuten ein bisschen was übers Abnehmen erzählt und alles, was so dazugehört“, erzählt Nicole Jäger.

Ein „totaler Blindflug“ sei es für sie gewesen, sie sei fast gestorben da oben auf der Bühne, erinnert sie sich. Zu allem Lampenfieber sei damals auch noch die Tatsache gekommen, dass sie sich gedacht habe: Das funktioniert sicher nicht, die wollen mich doch gar nicht erleben. Denn ihre Angst sei gewesen: „Wer will schon eine fette Frau auf der Bühne sehen und ihre albernen Geschichten übers Abnehmen hören?“

Es geht um Körperlichkeit und Sex

Doch es funktionierte, und das tut es bis heute. Ihr erstes Programm hat sie nun allerdings ad acta gelegt, denn, und nun kommen wir wieder auf die Leibesfülle zu sprechen: „Als dicke Frau immer nur übers Abnehmen zu reden, war mir dann irgendwann einfach doch zu wenig.“ In ihrem aktuellen Programm „Nicht direkt perfekt“ geht’s zwar auch um Körperlichkeit, aber eben auch um Sex, um Gefühl, und vor allem um eine Geschichte. Dabei reihe sie nicht nur einen Gag an den nächsten, sondern orientiere sich an den amerikanischen Comedy-Vorbildern. „Ich erzähle diese Geschichte und erkläre den Frauen, was sie da eigentlich machen und was dahinter steckt.“ Denn, und das weiß Nicole Jäger natürlich so gut wie ziemlich jede ihrer Geschlechtsgenossinnen: Frauen betreiben bisweilen einen irrsinnigen Aufwand, um jemandem zu gefallen – nur um am Ende doch abgewiesen zu werden. Auch sie kenne dieses Gefühl, und es tue natürlich auch weh. „Aber ich erzähle das alles mit einer großen Portion Humor. Und genau deshalb ist es auch heilsam.“ Immer wieder stelle sie fest, wie ähnlich die Frauen im Publikum auf ihre Gags reagierten, wie sehr sie den wunden Punkt treffe. Viele fühlten sich dann ertappt und kicherten verlegen. „Und bei ein paar Stellen weiß ich genau: Jetzt klopfen die Männer gleich ihren Frauen aufs Knie, so nach dem Motto: Siehste, Schatz, da musst du dir doch gar nicht immer so ’nen Kopf drum machen!“

Freimütig gibt sie zu, dass sie sich oftmals selbst schlapp lacht über ihre eigenen Gags. Auch wenn sie sich auf der Bühne natürlich zusammenreißt. „Aber wenn die Menschen da sitzen und sich totlachen, da muss ich einfach auch lachen, das finde ich dann halt irrsinnig witzig.“

Im kleinen Publikum lacht keiner

Seit jenem ersten Auftritt im Januar 2016 hat sie viele Menschen zum Lachen, aber auch zum Weinen gebracht. Etwa 80 Auftritte absolviert sie im Jahr, und auch wenn sie diese Aufgabe liebt: Manchmal gehe ihr schon die Puste aus, sagt sie. Alle zwei Jahre brauche sie deshalb eine Pause. Dazwischen tritt sie am liebsten in großen Sälen auf. Nicht, weil sie mittlerweile größenwahnsinnig geworden ist, sondern weil die Nervosität vor kleinem Publikum zu groß ist. „Es ist hart, vor 50 Leuten zu spielen. Denn da traut sich keiner, zuerst zu lachen, die sitzen dann alle total verkrampft im Publikum“, findet sie. In Stuttgart sei sie nun schon ein paar Mal gewesen, und immer findet sie es hier nach eigenem Bekunden „total geil“. Doch, doch, die Schwaben, die seien schon witzig und lachten auch gerne, sagt sie. Obwohl, einmal, da habe sie in einem kleinen Dorf in der schwäbischen Provinz gespielt; wo das gewesen sei, mag sie aber nicht verraten. „Das war schlimm, da hat keiner gelacht. Da schwitzt du Blut und Wasser auf der Bühne, das ist die Hölle.“ Das hat sie im Theaterhaus sicher nicht zu befürchten, denn der Saal wird gut gefüllt sein.

Für ihren Auftritt am Mittwoch, 7. November, gibt es nur noch Restkarten.