In Argentinien ist sie eine bekannte Tango-Größe, die deutsche Tänzerin Nicole Nau ziert in ihrer Wahlheimat Briefmarken. Derzeit tourt sie mit ihrem Mann Luis Pereyra und der Show „Se dice de mi“ durch die alte Heimat – und verrät im Interview, warum Tango nur etwas für starke Frauen ist.

Stadtleben/Stadtkultur/Fildern : Andrea Kachelrieß (ak)

Stuttgart - Die Tango-Tänzerin Nicole Nau zeigt ihre neue Show „Se dice de mi“ kurz nach der Uraufführung an diesem Sonntag, 30. September, im Stuttgarter Theaterhaus. In einem eher intimen Rahmen gibt der Abend nicht nur Einblick in die facettenreiche Kultur Argentiniens, sondern erzählt auch aus dem Leben von Nicole Naus Partner, dem Tango-Star Luis Pereyra.

 

Frau Nau, Sie sind mit Ihrer neuen Show fast jeden Abend auf der Bühne. Schmerzen die Füße da irgendwann nicht furchtbar?

Ja, und nicht nur die Füße! Es ist ein anstrengender Job, mit dem ganzen Körper im Einsatz zu sein. Aber es ist auch ein schönes Gefühl, wenn die Anstrengung nachlässt und man das, was man geleistet hat, am eigenen Körper spürt. Im übrigen tanze ich nicht auf hohen Absätzen, wir kommen aus der alten Tango-Schule. Da steht kein erotisches Frauenbild im Vordergrund, sondern der Tanz. Dafür brauche ich Schuhe, in denen ich mich optimal bewegen kann.

Was meinen Sie mit „alter Tango-Schule“?

Wir arbeiten mit dem Tango, der 1983 mit der Show „Tango Argentino“ die Welt erobert hat. Damals hat dieser Tanz noch Argentinien gehört, war kraftvoll und nicht durch viele Einflüsse verwässert. Sehr populäre Versionen diese ursprünglichen Tanzes tragen mein Mann Luis Pereyra und ich auch hinaus in die 24 Provinzen Argentiniens. Da gibt es Szenen, in denen barfuß getanzt wird – wie vor einer Lehmhütte auf sandigem Boden.

Sie sind in Ihrer Wahlheimat ein großer Star, der sogar schon Briefmarken zierte. Haben die Argentinier damit kein Problem?

Doch, das war ein sehr steiniger Weg. Die Tänzer, die in den 1980er Jahren alle aus Argentinien wegwollten, belächelten die Deutsche, die in der anderen Richtung unterwegs war. Bei Auditions waren sie später wenig erfreut darüber, dass sich eine Ausländerin reindrängt. Als die Briefmarke erschien, habe ich die Einladung einer bekannten Talkshow abgelehnt, weil ich nicht Salz in ihre Wunden streuen wollte. Das Publikum hat mich aber von Beginn an verehrt, weil ich nicht eine war, die wegwollte, sondern zu ihnen kam.

Was hat Sie als junge Frau bewogen, Ihren Job an den Nagel zu hängen und nach Argentinien zu ziehen?

Die Sehnsucht nach Tanz. Als kleines Mädchen hatte ich den Tanz als Fluchtmöglichkeit aus einer nicht so glücklichen Kinheit entdeckt, aber mein Vater war gegen Tanzunterricht. Später als Grafikstudentin hat mir der Tanz wieder aus einer Krise geholfen. Als ich 1983 die Show „Tango Argentino“ und meinen späteren Mann Luis Pereyra auf der Bühne sah, wusste ich: Das ist das, was ich machen will. Richtigen argentinischen Tango, das war mir klar, kann ich nur in Argentinien lernen.

Der coole Macho führt, die Frau lässt sich verführen? Ist richtiger Tango sexistisch?

Nein, auf keinen Fall! Es ist furchtbar, dass viele Shows dieses Klischee bedienen und den Tango als Volkstanz kaputtmachen, wenn sie ausschließlich dieses Bordellbild von ihm zeichnen. Mein Mann und ich sind Tänzer, wir suchen Höchstleistung, unsere Vorbilder sind charmante Künstler wie Mikhail Baryshnikow. Wir treten als gleichberechtigtes Paar auf, das sich ergänzt, und tanzen in jedem Sinn auf Augenhöhe. In unserer Show „Se dice de mi“ zeigen wie den Tango und andere argentinische Tänze mit ihren vielen Gesichtern und Emotionen. Anhand der Lebensgeschichte meines Mannes, der vom angehenden Fußballer aus der Provinz zum Tänzer wurde, suchen wir gerade nach dem, was sich hinter Klischees verbirgt.

Sonntag, 30. September 2018, im Theaterhaus Stuttgart