Nicole Razavi hat schon häufiger Neuland betreten. Das ist für die erste Wohnungsministerin Baden-Württembergs aber keine Frage der Geschlechterrollen.

Stuttgart - Ihr Haus ist neu, es vereint die Landesentwicklung und das Wohnen und ist damit praktisch allumfassend. Nicole Razavi (56), geboren in Hongkong, wohnhaft in Salach im Kreis Göppingen, ist die erste Ministerin für Landesentwicklung und Wohnen, die es in Baden-Württemberg je gab.

 

Unter den Begriff Landesentwicklung fallen für sie nicht weniger als „alle Zukunftsthemen des Landes“. Da wäre der bezahlbare Wohnraum, „die soziale Frage unserer Zeit“. Da wäre der Anspruch, viele neue Wohnungen zu bauen und doch den Flächenverbrauch zu beschränken. Die Lebensbedingungen haben sich geändert. Die Mobilität in der Innenstadt muss neu geregelt werden, ebenso das Verhältnis zwischen Wohnen und Arbeit. Razavi führt nach ihrer eigenen Einschätzung „das Ministerium für gebaute Lebensbedingungen“.

Pragmatisch die Zukunft gestalten

Sie will die Zukunft gestalten. Die großen Visionen sind nicht ihre Sache. Sie geht pragmatisch ans Werk: „Ich will mehr Lust aufs Bauen und Sanieren machen“. Und sie will durch gute Beispiele zeigen, wie das gehen kann.

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Sie sucht neue Wege. Das können auch kleine Schritte sein. Wer sagt, dass eine Fläche über Jahrzehnte hinweg versiegelt sein muss, wenn einmal darauf gebaut wurde? Modulbauweise wäre eine Möglichkeit, die Razavi überzeugt. Bereits entworfene Module, möglichst aus klimaverträglichen Baustoffen, könnten ohne größeren Planungsaufwand auf- und vor allem auch wieder abgebaut werden.

Nicht mehr bauen für die Ewigkeit

Warum nicht sein Häuschen für eine begrenzte Zeit aufstellen, vielleicht auf einer Fläche, die nicht dauerhaft zur Verfügung steht, fragt Razavi. Fünf- bis zehnmal könnte man solche Module auf- und abbauen, meint die Ministerin und sieht darin ein pragmatisches Beispiel für mehr Flexibilität beim Bauen.

Wohnen ist für die katholische Christdemokratin vor allem Gesellschaftspolitik:„Bezahlbarer Wohnraum ist ein zutiefst sozialpolitisches Thema“. Jeder Mensch habe den Anspruch, würdig zu leben. Das mag manchen, der sie als konservative Hardlinerin sieht, ebenso verwundern wie ihre Position, dass die Natur geschützt werden müsse.

„Lücken nutzen“ hat sich die Bauministerin für dieses Jahr zum Motto erkoren. Sei es übergangsweise für die Modulbauweise oder die Aufstockung auf Supermärkten oder Garagen.

Wettbewerb der Geschlechter für sie kein Thema

Dass sie die erste Frau auf dieser Baustelle des Landes ist, ist für Razavi kein Thema. Sie war 1997 die erste Kreisvorsitzende der CDU im Landkreis Göppingen. Auch das ist für sie eher selbstverständlich als eine Frage der Gleichberechtigung. „Ich habe nie in das Schema der Frauengruppierungen gepasst“, sagt sie über sich. Sich durchzusetzen ist für die begeisterte Skifahrerin und Präsidentin des Turngaus Staufen eine Frage des Wettbewerbs. Den nimmt sie in erster Linie sportlich. „Ich habe den Wettbewerb nie als Rollenwettbewerb gesehen.“ Sie findet, „es muss etwas Normales sein, dass Frauen solche Aufgaben haben“.