Geert Wilders hat in den vergangenen Wochen die Bilder des niederländischen Wahlkampfes beherrscht. Schafft er nun tatsächlich das, wovor sich gerade im Ausland viele fürchten?

Den Haag/Amsterdam - Nein, Geert Wilders kann ihr nicht die Laune verderben an diesem schönen Spätwintertag, der gleichzeitig der große Wahltag ist. Mit einer Mischung aus Neugier und Belustigung verfolgt Latifa A. am Mittwoch, wie der 53-Jährige mit den platinblonden Haaren von der Stimmabgabe in der Grundschule ihrer Tochter kommt. Ja, sie sei Muslima und habe marokkanische Wurzeln und ja, Wilders wolle weniger Islam und weniger Marokkaner in Holland, räumt die Frau aus Den Haag ein. Für eine Gefahr halte sie den Anführer der rechtspopulistischen PVV aber nicht.

 

„Wir haben Gesetze hier in den Niederlanden, darüber kann er sich nicht hinwegsetzen“, sagt sie optimistisch. Den Islam zurückdrängen? „Er kann mich zu nichts zwingen. Ich kann zu Hause beten, wenn ich das will.“

Dann erklärt die 37-Jährige, dass sie sogar eine vorübergehende Regierungsbeteiligung von Wilders sogar gutheißen würde. Dann würden er und seine Anhänger sehr schnell merken, dass Politik wenig mit flotten Sprüchen zu tun habe, sagt sie.

Vertretbare Positionen

In manchen Bereichen vertrete Wilders sogar Positionen, die sie richtig finde. Eine erschwingliche und gute Alters- und Krankenversorgung - da könne sie den PVV-Chef nur unterstützen.

Die selbstbewusste Frau mit dem leuchtend blauen Kopftuch mag nicht für alle muslimischen Niederländer sprechen an diesem Wahltag, aber sie ist doch ein Beispiel dafür, dass vielleicht mancher im Ausland Wilders mehr fürchtet als seine inländischen Gegner. Zwar gibt es diejenigen, die sich wie Maya Bihari (31) sorgen, dass Wilders es gelingen könnte, im Land „Hass und Wut“ zu schüren. Viele andere lassen aber freimütig durchblicken, dass sie Wilders Einfluss auf die Politik in den Niederlanden gar nicht mal so schlecht finden.

Abseits von Dingen wie der Islamfeindlichkeit machten einige Positionen von Wilders Sinn, sagt beispielsweise Manager Dave Cho (42) und erinnert daran, dass Regierungschef Mark Rutte sein Versprechen gebrochen habe, dass der niederländische Steuerzahler nicht mehr an den Rettungsversuchen für Griechenland beteiligt werde. Der 42-Jährige hat sich diesmal dafür entschieden, für die linksliberalen Demokraten unter Alexander Pechtold zu stimmen.

Viele Wilders-Wähler möchten anonym bleiben

Rentner Aad Hillenaar (72) will hingegen keine Risiken eingehen und hat wie schon bei den letzten Wahlen für die Partei von Rutte votiert. Wilders habe recht, wenn er die vielen Ausländer als eines der größten Probleme der Niederlande bezeichne, sagt er. Er hoffe aber, dass auch Rutte diese „Sache“ nun angehen werde. „Er hat in den vergangenen Jahren gezeigt, dass er das Land gut führen kann“, sagt Hillenaar und lacht.

Diejenigen, die sich dazu bekennen, Wilders zu wählen, wirken dagegen eher schlecht gelaunt - trotz des strahlend blauen Himmels an diesem Wahltag. Etliche von ihnen schimpfen über die vielen Muslime im Land, die großen Gehaltsunterschiede und die angebliche Fremdbestimmung durch Brüssel. Kaum einer will seinen Namen in einer Zeitung lesen. Einer der Ausnahmen ist Astrid Toet. „Ja klar“ wähle sie Wilders, sagt die 58-Jährige, die bei den vorherigen Wahlen noch für die zuletzt in Umfragen abgeschlagenen Sozialdemokraten unter Lodewijk Asscher stimmte. Die Niederlande müssten endlich wieder den Niederländern gehören.

Ungewöhnliche Orte für die Stimmabgabe

Abseits der Wahllokale herrscht Alltag auf den Straßen der Niederlande an diesem Mittwoch. Etwas wie den Wahlsonntag kennen die Holländer nicht. Um so viele Menschen wie möglich zur Stimmabgabe zu bewegen, werden die Wahlen immer an einem Mittwoch organisiert. „Der Sonntag wäre unpassend, weil dann womöglich ein Teil der orthodoxen Protestanten wegen der Sonntagsruhe nicht wählen würde“, erklärt die Wahlleitung. Freitag und Samstag fielen wegen des jüdischen Sabbatfestes weg, der Montag deswegen, weil dann die Wahlvorbereitungen am Wochenende stattfinden müssten. Ausgewählt wurde dann der Mittwoch, weil an diesem Tag an den Grundschulen nur am Vormittag unterrichtet wird.

Stimmabgaben sind dabei auch an eher ungewöhnlichen Orten möglich. In Amsterdam gibt es etwa eine Wahlurne im 20. Stockwerk eines Hochhauses - mit atemberaubenden Blick über die Stadt. Im Bahnhof wurde im Restaurant „Wurst & Schnitzelhaus“ eine Wahlurne aufgestellt. „Die Stimmung ist hervorragend“, sagt Wahlhelfer Johan van Sweden.

Was für eine Regierung sie für die nächsten vier Jahre bekommen, werden die Niederländer womöglich erst in einigen Wochen wissen. Da es keine Sperrklausel wie die deutsche Fünf-Prozent-Hürde gibt, können sich zahlreiche kleine Parteien Hoffnungen auf den Einzug ins Parlament machen.

IT-Manager Marcel Deegeling (51) blickt am Mittwoch wie Latifa A. entspannt in die Zukunft. „Vielleicht wird Wilders die Wahl gewinnen, aber er wird nicht an die Regierung kommen, weil zum Glück niemand anders mit ihm arbeiten will“, kommentiert er mit Blick auf die Beteuerungen die etablierten Parteien in den Niederlanden. Wilders habe Einfluss, aber er werde sein Land nicht ins Chaos stürzen können.