Ein Wochenende mit Genuss, Begegnungen und Entdeckungen: Beim ersten Steillagenwochenende in Besigheim öffneten sich die Weinberge für Wanderer, Genießer und Neugierige.

Der Blick vom Panoramaweg-Höhenweg am Niedernberg nach Besigheim hätte am Sonntag kaum schöner sein können: Sonne satt, junges Grün, überall in den Steillagen – mit den Reben, den engen, krummen Steintreppen und dem Mauerwerk – blüht, summt und schwirrt es. Dazu die Bilderbuchaussicht auf die Besigheimer Fassaden: Ideale Bedingungen für das erste Besigheimer Steillagenwochenende, das zum Entdecken, Verkosten und Wandern einlud. Konnten die Besucher am Samstag durch die Altstadt flanieren, ging es am Sonntag in die Weinberge. Entweder auf eigene Faust oder auf einer von Weinerlebnisführerin Katrin Held geführten, etwa vier Kilometer langen Tour, die „Himmelsleiter“ hinauf in die Steillagen, zur Aussichtskanzel am Niedernberg, über den Höhenweg zum Panoramaweg und über die Löchgauer Steige zurück.

 

18 Stationen auf dem Rundweg durch die Weinberge

Katrin Held war es auch, die den Impuls für die zweitägige Veranstaltung gab, die zeitgleich zum bundesweiten Wein-Wander-Wochenende des Deutschen Weininstituts stattfand und an der sich die Stadt Besigheim und viele weitere Akteure beteiligten.

Eine der 18 Stationen, die auf dem Rundweg durch die Weinberge zum Verweilen und Verkosten einladen, ist die Laube von Sabine Hohenberger. Sie und ihr Mann Christof haben den geerbten Weinberg am Steilhang viele Jahre als „Feierabend-Wengerterpaar“ bearbeitet. Eigentlich wollten sie ihn altershalber aufgeben: „Es ist einfach sehr anstrengend, in der Schräge zu arbeiten. Die viele Arbeit, das Kreuz“, sagt Sabine Hohenberger.

In den Weinbergen war einiges los. Foto: Andreas Essig

Dabei ist ihr Weinberg etwas ganz Besonderes: Der letzte Seillagenweinberg im Hang mit einem „gemischtem Satz“. Das sei historisch wichtig, sagt Weinbergkennerin Katrin Held und erläutert: Früher haben die Wengerter das Risiko von Ernteausfällen – etwa durch Frost – minimiert, indem sie unterschiedliche Rebsorten anbauten. Heute bestocke man aus rationellen Gründen einen Weinberg fast immer sortenrein. Ein „gemischte Satz“ habe aber Vorteile: „Im günstigsten Fall hat der Wein dann unterschiedliche Charakteristika, den Trollinger als Masseträger, den Lemberger für die schönere Farbe, den Riesling wegen der Säure“, erläutert sie.

Besigheimer Weinberge Foto: Andreas Essig

Katrin Held und ihre Familie setzten sich tatkräftig dafür ein, dass dieser alte Weinberg erhalten bleibt. Mittlerweile gibt es zahlreiche Helfer, die das Wengerterehepaar bei der schweren Arbeit unterstützen und denen wichtig ist, dass dieser historisch relevante Weinberg erhalten bleibt. Aus dessen über 60 Jahre alten Reben wird so weiterhin ein „Schiller“, eine Mischung aus roten und weißen Trauben, hergestellt.

Naturnahe Weinbaukunst: Biodiversität in Besigheimer Steillagen

Katrin Held geht es aber um mehr als nur um den Wein. „Das hier ist ein lebendiger Weinberg“, erläutert sie: „Wir haben Eidechsen, Schmetterlinge, Wildbienen, Schnecken. Hier kommen keine Herbizide zum Einsatz und gemäht wird mit der Sense. Das ist alles sehr naturnah“.

Geht man den Weinberg über die steile, bewachsene Treppe noch weiter hinab, hört man von weitem dumpfe Schläge. Reinhold Reuschle repariert eine eingestürzte Steinmauer ganz unten im Hang. Der 79-Jährige lässt sich bei seiner nicht nur schweren, sondern auch präzise Arbeit über die Schulter schauen: Die Steine müssen so gesetzt werden, dass sie nicht wackeln und die Mauer stabil steht.

Präzise Arbeit: Stein für Stein, damit die Mauer nicht wackelt. Foto: Andreas Essig

Immer mehr Besucher treffen ein. Ramona Spahr aus Besigheim freut sich auf einen schönen Sonntagsausflug mit ihrer Familie: „Das Wetter ist perfekt und die Kinder haben hier im Weinberg überall etwas zu entdecken“. Elisabeth Brabenetz versucht sich an der Station „Aromaraten“: Es gilt, zwölf unterschiedliche Gerüche, die auch in Weinen vorkommen, zu erkennen. Vanille und Erdbeere sind leicht, grüne Paprika schwer. Dabei hat die 72-jährige Besucherin aus Ludwigsburg viel Erfahrung mit Wein. Sie kommt aus dem Taubertal und hat schon als Kind im Weinberg mitgeholfen.

Bei Marie und Martin Joos, die auf ihrem zur offenen Küche umgebauten Schlepper Flammkuchen mit Grünspargel und „Zirkele“ – Lauch aus dem Weinberg – backen, sind schon am frühen Mittag alle Tische belegt. Katrin Held freut sich über die vielen Besucher: „Das ist für uns die größte Belohnung, dass das Publikum jetzt so einen großen Genuss hat. Die Besucher kommen hier in den Weinbergen mit den Machern direkt ins Gespräch, können nachfragen und die Produkte da genießen, wo sie wachsen“. Denn eines ihrer wichtigsten Anliegen ist es, den Menschen nahe zu bringen, regionale Weine zu kaufen. Nur so werde es die arbeitsintensiven Weinberge in den Steillagen auch in Zukunft noch geben.