In einigen Ländern Europas steigen die Preise für Häuser und Wohnungen nach Ansicht der europäischen Zentralbank schon zu schnell. In Deutschland sehen die Experten aber bisher noch keine Anzeichen für eine Überhitzung.

Berlin - Die Risiken der lang anhaltenden Niedrigzinsphase in Europa werden immer deutlicher sichtbar. Nun hat auch die Europäische Zentralbank (EZB) vor einer Überhitzung der Immobilienmärkte in Europa gewarnt. „Unsere Analysen und die des Internationalen Währungsfonds deuten darauf hin, dass es in einigen speziellen Immobilienmärkten Anzeichen für eine Überhitzung geben könnte“, sagte EZB-Vizepräsident Vitor Constancio in Frankfurt. Ein Grund dafür dürften nach Einschätzung des Portugiesen auch die niedrigen Zinsen der Notenbank selbst sein, die die Jagd der Investoren nach Rendite angefeuert hätten. Die EZB hatte ihren Leitzins Anfang des Monats auf das Rekordtief von 0,15 Prozent gesenkt und erhebt erstmals Strafzinsen von Banken, die Geld lieber bei ihr horten als es an Unternehmen und Haushalte zu verleihen. Die Warnung des EZB-Vize hat zumindest die Anleger an den Aktienmärkten verschreckt. Zusammen mit ungünstigen Konjunkturdaten aus Frankreich sorgte die Nachricht für einen Kursrückgang.

 

Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und führende Vertreter der Bundesbank hatten jüngst auf die Gefahr einer Immobilienblase hingewiesen. Die deutlichen Preissteigerungen, die bislang nur auf Metropolen wie Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt und Stuttgart beschränkt gewesen seien, seien mittlerweile auch in mittelgroßen Städten zu beobachten, meinte das Bundesbank-Vorstandsmitglied Andreas Dombret. Dort seien die Märkte für Häuser und Wohnungen bereits um zehn bis 20 Prozent überbewertet, in den Ballungsräumen um bis zu 25 Prozent. Von einer Spekulationsblase am Immobilienmarkt könne man aber noch nicht sprechen.

Finanzinvestoren nutzen das günstige Umfeld zum Verkauf

Zwar wächst der Markt auch in Deutschland sehr dynamisch und lockt Großinvestoren an, doch die meisten Experten halten die Entwicklung noch nicht für besorgniserregend. 2013 hätten Unternehmen und institutionelle Anleger 300 000 Wohnungen ge- oder verkauft. Das waren 50 Prozent mehr als im Vorjahr, teilte das Bonner Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung mit. Dabei hat es aber Bewegungen auf beiden Seiten gegeben. Deutsche Unternehmen und Investoren suchten angesichts der niedrigen Erträge aus festen Papieren nach sicheren Anlagealternativen, sagte die Immobilienexpertin des Instituts, Karin Lorenz-Hennig. Vor allem Lebensversicherungen, die aufgrund des niedrigen Zinsniveaus Probleme haben, eine angemessene Verzinsung für ihre Kunden zu erzielen, haben Immobilien als Anlageklasse entdeckt. Zugleich hätten Finanzinvestoren, die in den Krisenjahren auf Wohnungsbeständen sitzen geblieben seien, jetzt das günstige Umfeld zum Verkauf genutzt.

Trotz der gestiegenen Nachfrage sei eine Spirale aus Preiserhöhungen, steigender Verschuldung und Lockerung der Kreditbedingungen bisher nicht festzustellen, erklärt der Ausschuss für Finanzstabilität in seinem ersten Jahresbericht. Gleichwohl räumen die Experten von Finanzministerium, Bundesbank und Finanzaufsicht Bafin ein: „Großzügige finanzielle Rahmenbedingungen können generell den Nährboden für den Aufbau von Finanzstabilitätsrisiken am Wohnimmobilienmarkt bilden.“ EZB-Vize Constancio räumte ein, dass die lockere Geldpolitik der Notenbank gesamtwirtschaftliche Verwerfungen hervorrufen könne, da die Auswirkungen nicht in allen Fällen abzuschätzen seien.

In einigen anderen europäischen Ländern sieht die Situation auf dem Immobilienmarkt allerdings anders aus. Daher will sich der Internationale Währungsfonds (IWF) künftig stärker der Gefahr von Preisblasen an den Immobilienmärkten annehmen. Als erster Schritt wurde eine Internetseite eingerichtet, auf der sich die Häuserpreise in verschiedenen Ländern einsehen und vergleichen lassen. Zudem werden die Immobilienwerte in Relation zu Einkommen und Mieten gesetzt. Das sind gängige Vergleichswerte, um Immobilienmärkte zu analysieren. „Dies ist der Beginn einer Initiative und nicht das Ende der Fahnenstange“, sagte Prakash Loungani vom Währungsfonds. Der Immobiliensektor sei ein wichtiger Bestandteil von Volkswirtschaften, zugleich aber auch Ausgangspunkt von Finanzkrisen gewesen, heißt es in einer Mitteilung des IWF.