Sport: Dominik Ignée (doi)

Akribie gehört zu Laudas Erfolgsrezept: „Es gab zu meiner Zeit keine Datenströme aus dem Computer, es kam nur darauf an, was ich zu meinem Ingenieur gesagt habe“, erklärt er. „So waren meine Information die einzigen, die das Auto besser entwickelt haben oder auch nicht. Deshalb kannte ich jedes Detail, jede Schraube.“

 

Doch dann kamen die unvorhergesehenen, nicht erklärbaren Dinge ins Spiel. Sie verursachten Irritationen und brachten ihn aus der Fassung. Dass er am Nürburgring im brennenden Rennwagen saß und später im Krankenhaus lag, darüber habe er sich in einer Zeit, in der alle drei Jahre ein Rennfahrerkollege tödlich verunglückte, überhaupt nicht gewundert. In den unsicheren Kisten von damals („wie aus Papier“) waren derlei Vorkommnisse einkalkuliert. Deshalb lebten einige seiner Kameraden ja auch so intensiv – denn am Rennsonntag konnte schon alles vorbei sein. Doch der Flugzeugabsturz hatte Lauda acht Monate lang in die größte Krise seines Lebens gerissen. Weil er lange nicht wusste, warum es geschah. Weil Boeing und die amerikanischen Behörden ihm verbieten wollten, Neuigkeiten der Unfalluntersuchungen öffentlich zu machen. Und weil er doch aller Welt beweisen wollte, dass so ein Formel-1-Pilot auch als Besitzer einer Fluggesellschaft erfolgreich sein kann.

Wenn er mit Mia und Max spielt

„Das war die schlimmste Zeit für mich“, erinnert sich Lauda. Nie wurde er von Hinterbliebenen der 223 Toten angegriffen, aber sie stellten ihm oft die Frage nach dem Warum. „Ich habe gesagt, wenn wir schuld sind, dann sperren wir den Laden zu, denn dann sind wir unfähig, ein Flugzeug fliegen zu lassen, das sicher von A nach B kommt.“ Erst als nach acht Monaten ein Konstruktionsfehler am Triebwerk als Ursache ausgemacht wurde, hatte Lauda endlich das, was für ihn so wichtig ist: eine Erklärung.

Der Firmenchef war aus einem tiefen Verantwortungsbewusstsein heraus sofort an die Unfallstelle nach Thailand gereist, da hatten die Einheimischen vor seinen Augen noch den Toten die Ringe von den Fingern gezogen. Bis heute wird Lauda nicht vergessen, wie er später bei der Beerdigung von 23 unidentifizierbaren Körpern an dem Massengrab ein kleines Mädchen sah, das mit der Großmutter dastand und Muscheln in die Grube warf. Die hatte sie im letzten Urlaub mit ihren Eltern, die in dem Flugzeug saßen, am Strand gesammelt. „Das war hart“, sagt Lauda und blickt nachdenklich zur Seite.

Die vergangenen 40 Jahre hielten für ihn jede Menge bereit. Wenn es da oben einen Gott gibt, dann hat er dem Unternehmersohn aus Wien ein beachtliches Pfund auf die Schultern gepackt. Doch er hat sich gewehrt. Einmal sogar gewonnen. Nach seinem Feuerunfall 1976 am Nürburgring gab Lauda bei seiner Analyse den Lausbuben: „Gott hat zwar nach mir gegriffen, doch er hat nur mein Ohr erwischt.“

Erst der Horrorcrash am Nürburgring machte den Österreicher weltberühmt, das sieht er selbst so. Hätte ein kleiner Junge das Desaster nicht zufällig mit seiner Super-8-Kamera gefilmt, gäbe es kein Dokument. „So siehst du halt aus, wenn du 50 Sekunden im Feuer hockst“, kommentierte er einmal lapidar seine Brandnarben im Gesicht. Doch das war nicht alles.

Der Flugzeugabsturz am 26. Mai 1991, als eine Boeing 767 der Lauda-Air über Thailand wie ein Stein vom Himmel fiel, weil sich die Schubumkehr eines Triebwerks eingeschaltet hatte, war die viel größere Tragödie im Leben des Andreas Nikolaus Lauda. 223 Tote – der Horror, unfassbar. 2002 musste er seine Fluglinie wegen drohenden Konkurses an die Austrian Airlines verkaufen, führte später noch unter dem Namen „Niki“ die Tochtergesellschaft von Airberlin – doch vor eineinhalb Jahren trennte er sich auch von dieser Linie. Nun hat der Mann der Turbulenzen Zeit für Mercedes, da geht noch was – immer weiter, immer weiter. Etwas müde sieht der rastlose Herr Lauda nur aus, weil es in Wien noch so früh am Morgen ist.

Im Imperial schickt sich der höfliche Ober an, das Glas mit dem Ei abzuräumen – doch eine zackige Handbewegung signalisiert ihm, dass der letzte Rest noch nicht ausgelöffelt ist. Für Niki Lauda gibt es nur leer oder voll, schwarz oder weiß. „Ich kann mit Grauzonen nichts anfangen, man muss sich für etwas entscheiden, da darf es dann ruhig auch mal das Falsche sein“, sagt er und zeigt auf die Orchidee auf dem Tisch. „Es gibt Leute, die sagen, da steht eine Blume, aber – nix ,aber‘, sage ich da. Steht hier eine Blume, oder steht hier keine Blume?“

Ein Problem bekommt die ehemalige Formel-1-Ikone vor allem, wenn geschlampert wird, nicht alles picobello ist. Der Mercedes-Aufsichtsrat dürfte schwäbischer sein als ein Schwabe, das war schon bei seinen Fluglinien so. Mit dem Pinsel säuberte er bei ruhigem Flug und eingeschaltetem Autopiloten die Armaturen und bekam die Krise, wenn sein Co-Pilot mit dem Finger auf ein Display tappte. Vor jedem Flug ging Lauda in seinem Airbus 320 durch die Kabine, überprüfte die Sauberkeit des Teppichs, und wenn er einen Aschenbecher aufmachte, konnte er sicher sein, dass exakt in diesem Aschenbecher auch der Kaugummi klebte. „Meine Sicht der Dinge quält mich natürlich, aber ich sehe jedes Detail. Auch wenn ich Rennautos anschaue, erkenne ich Dinge, die die anderen Menschen nicht interessieren.“ Kein Kratzer bleibt also unentdeckt. Von dieser Beobachtungsgabe gedenkt er auch in der Mercedes-Fabrik im britischen Brackley Gebrauch zu machen. Man darf es als Drohung verstehen: Wenn der Mann mit der Mütze ein Staubkorn sieht, sind sie gut beraten, einen zu finden, der es wegwischt. Die Prinzipientreue des dreifachen Formel-1-Weltmeisters ist gewachsen – und auch ein Teil seiner Erziehung. Der Großvater war als Bergbau-Unternehmer einer der größten Industriellen Österreichs, der Vater besaß Papierfabriken. Also sah der für den Junior festgelegte Weg ein Studium und die Übernahme der Firmen vor. Doch weil es Ende der Sechziger auch in Österreich üblich war, zu Hause den Rebellen zu geben, bezog der Sohn gegen den Willen der Familie in Salzburg ein Zimmer und drehte in einem BMW-Tourenwagen die ersten Runden. Sturheit als Lebensprinzip.

Laudas schlimmste Zeit

Akribie gehört zu Laudas Erfolgsrezept: „Es gab zu meiner Zeit keine Datenströme aus dem Computer, es kam nur darauf an, was ich zu meinem Ingenieur gesagt habe“, erklärt er. „So waren meine Information die einzigen, die das Auto besser entwickelt haben oder auch nicht. Deshalb kannte ich jedes Detail, jede Schraube.“

Doch dann kamen die unvorhergesehenen, nicht erklärbaren Dinge ins Spiel. Sie verursachten Irritationen und brachten ihn aus der Fassung. Dass er am Nürburgring im brennenden Rennwagen saß und später im Krankenhaus lag, darüber habe er sich in einer Zeit, in der alle drei Jahre ein Rennfahrerkollege tödlich verunglückte, überhaupt nicht gewundert. In den unsicheren Kisten von damals („wie aus Papier“) waren derlei Vorkommnisse einkalkuliert. Deshalb lebten einige seiner Kameraden ja auch so intensiv – denn am Rennsonntag konnte schon alles vorbei sein. Doch der Flugzeugabsturz hatte Lauda acht Monate lang in die größte Krise seines Lebens gerissen. Weil er lange nicht wusste, warum es geschah. Weil Boeing und die amerikanischen Behörden ihm verbieten wollten, Neuigkeiten der Unfalluntersuchungen öffentlich zu machen. Und weil er doch aller Welt beweisen wollte, dass so ein Formel-1-Pilot auch als Besitzer einer Fluggesellschaft erfolgreich sein kann.

Wenn er mit Mia und Max spielt

„Das war die schlimmste Zeit für mich“, erinnert sich Lauda. Nie wurde er von Hinterbliebenen der 223 Toten angegriffen, aber sie stellten ihm oft die Frage nach dem Warum. „Ich habe gesagt, wenn wir schuld sind, dann sperren wir den Laden zu, denn dann sind wir unfähig, ein Flugzeug fliegen zu lassen, das sicher von A nach B kommt.“ Erst als nach acht Monaten ein Konstruktionsfehler am Triebwerk als Ursache ausgemacht wurde, hatte Lauda endlich das, was für ihn so wichtig ist: eine Erklärung.

Der Firmenchef war aus einem tiefen Verantwortungsbewusstsein heraus sofort an die Unfallstelle nach Thailand gereist, da hatten die Einheimischen vor seinen Augen noch den Toten die Ringe von den Fingern gezogen. Bis heute wird Lauda nicht vergessen, wie er später bei der Beerdigung von 23 unidentifizierbaren Körpern an dem Massengrab ein kleines Mädchen sah, das mit der Großmutter dastand und Muscheln in die Grube warf. Die hatte sie im letzten Urlaub mit ihren Eltern, die in dem Flugzeug saßen, am Strand gesammelt. „Das war hart“, sagt Lauda und blickt nachdenklich zur Seite.

Vielleicht beschäftigt ihn dieses Schicksal auch, wenn er mit Mia und Max spielt. Das sind die dreieinhalb Jahre alten Zwillinge, mit denen ihm seine zweite Frau Birgit noch einmal ein spätes Vaterglück schenkte. 2005 rettete sie sein Leben mit einer Nierenspende. Lauda hat schon drei erwachsene Söhne, aber die beiden, sie scheinen ihn, den Rennfahrer und damit auch ausgeprägten Egoisten, in einen Zustand der Altersmilde zu versetzen. „Die Mia ist schneller als der Max und morgens immer als Erste an meinem Bett“, verrät er etwas über die Rundenzeiten im Hause Lauda. Nach dem Wecken spiele er mit ihnen dann eine Stunde und mache ihnen Müsli, „weil ich nix anderes kann“.

Auch für Lewis Hamilton und Nico Rosberg muss er in gewisser Weise sorgen, doch erwartet er da ein ausgeglicheneres Kräfteverhältnis als bei Mia und Max. „Lewis und Nico verstehen sich, arbeiten super zusammen und befinden sich auf dem gleichen Niveau“, sagt Niki Lauda noch. Dann zahlt er das Frühstück, geht hinaus ins lebhafte Wien und macht sich auf den Weg in ein neues, aufregendes Kapitel seines Lebens. Umwerfen kann ihn nichts mehr.