Nilgänse im F3 Fellbach Kontroverse um Gänsejagd im Wohlfühlbad geht weiter

Nilgänse – hier ein Exemplar am Rosentalsee in Vaihingen – breiten sich immer mehr in der Region aus. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth)

Nach dem Rausschmiss des F3-Chefs lässt die Stadt die Tiere nun selbst jagen – in der Stadt wird darüber diskutiert. Was ein Ornithologe und das Umweltministerium zum Umgang mit den Tieren sagen.

Rems-Murr: Phillip Weingand (wei)

Die Nachricht entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Der F3-Geschäftsführer versucht, der Besiedelung des Fellbacher Erlebnisbads durch Nilgänse Herr zu werden und tötet mutmaßlich mehrere Tiere auf mehr als fragwürdige, vermutlich strafbare Weise. Daraufhin feuert die Stadt ihn fristlos – und verkündet kurz darauf selbst, die Tiere von einem Stadtjäger schießen zu lassen.

 

Die Entscheidung zur im Amtsdeutsch „Entnahme“ genannten Gänsejagd im Wohlfühlbad wird in der Stadt jetzt kontrovers diskutiert. Sowohl in den Kommentarspalten der sozialen Medien wie auch im Postfach der Rems-Murr-Redaktion finden sich Reaktionen von Befürwortern und Gegnern dieser Maßnahme. „Warum ist die Umsiedlung verboten und das Töten erlaubt? Unfassbar“, findet ein Facebook-Nutzer, „Da macht es sich der Mensch wieder furchtbar einfach“, jemand anderes. Eine Fellbacherin ruft andere dazu auf, sich beim Rathaus beziehungsweise der Oberbürgermeisterin Gabriele Zull zu beschweren: „Ich habe sie gefragt, wie sie es den Kindern im Freibad erklären will.“ Eine andere Tierfreundin zürnt: „Was sind das für Menschen bei der Stadt Fellbach?“

Andere finden die Entscheidung der Stadt richtig – der Tenor dieser Fraktion lautet sinngemäß: Warum denn nicht gleich so? „Die Tiere sind absolute Schädlinge nördlich der Alpen“, schreibt jemand. In den Kommentaren findet sich auch ein Video, das in einem Park in Ludwigshafen aufgenommen wurde und zeigt, wie eine Nilgans ein Stockentenküken tötet. Die Tiere gelten als tendenziell aggressiv. Die Gänse im F3 sind jedoch bisher nie in derartiger Weise aufgefallen, andererseits teilen auch Menschen aus dem Rems-Murr-Kreis ihre Beobachtung, wie Nilgänse der Brut anderer Wasservögel zusetzen. Die Art breitet sich seit Jahren in Deutschland aus, ihr Bestand wird auf 7500 Brutpaare geschätzt.

Verwertet werden die geschossenen Gänse nicht

Ein anderer Fellbacher kommentiert mit einem Link zu einem Rezept für gefüllte Nilgans-Brust. Das Gericht mit Feigen und Couscous ist, passend zur Herkunft des Vogels, afrikanisch inspiriert. Dass geschossene F3-Gänse derart genutzt werden, steht aber außer Frage: Fellbachs Erster Bürgermeister Johannes Berner hat betont, es solle keinen Interessenskonflikt geben, die toten Tiere werden daher entsorgt. Einem weiteren Facebooknutzer kommt das Handeln der Stadt seltsam vor. Er schreibt: „Jetzt werden sie doch getötet. Wozu dann die Aufregung? Klar, der Jäger wird humanere Methoden als der ehemalige F3-Chef haben, aber das Ergebnis ist das Gleiche. Da muss meiner Ansicht nach mehr aus dem Ruder gelaufen sein als nur die Gans.“ Der geschasste Manager war nämlich auch wegen seines Umgangs mit Mitarbeitern und den Arbeitszeitbestimmungen kritisiert worden – die Oberbürgermeisterin Gabriele Zull hatte aber beteuert, der Grund für die fristlose Kündigung seien einzig und allein die Fälle mutmaßlicher Tierquälerei.

Ornithologe: Jagd gleicht einer Sisyphusarbeit

Michael Eick ist Beisitzer beim Fellbacher Nabu, Ornithologe und selbst Inhaber eines Jagdscheins. Er kennt die Problematik der Nilgänse. „Sie verhalten sich anderen Arten gegenüber aggressiv und verdrängen diese so von ihren Brutplätzen.“ Er beschreibt die Jagd auf Nilgänse als zweischneidiges Schwert: „Sie ist wie ein Tropfen auf den heißen Stein, eine Sisyphusarbeit. Sobald zwei Nilgänse geschossen wurden, werden sie bald durch ein neues Gänsepaar ersetzt.“ Möglicherweise habe die Jagd im F3 einen Vergrämungseffekt. „Aber dann muss das immer wieder gemacht werden, sonst ist dies nur auf ganz kurze Sicht effektiv.“ Den Bestand von Nilgänsen allgemein werde man damit aber nicht regulieren können. „Möglicherweise pendelt sich der Bestand, wie bei manchen anderen Neozoen, irgendwann ein.“ Bei der Jagd in bewohntem Gebiet, sagt Eick, sei außerdem allerhöchste Vorsicht angebracht: „Das ist gar nicht trivial. Auch eine Kleinkaliberkugel ist kein Spielzeug und fliegt ein paar hundert Meter weit.“ Er vertraue auf die Ausbildung der Stadtjäger.

Auf der Webseite des Bundes-Nabu ist man dagegen kritisch, was die Jagd angeht. Dort ist zu lesen, sie sei nicht zielführend, weil „eine Reihe von alternativen Maßnahmen zur Verfügung steht, deren Effektivität zunehmend nachgewiesen wird“. Im F3, so argumentiert die Stadt allerdings, hätten diese Versuche, die Gänse zu vertreiben, keinen Erfolg gehabt.

Eine Sprecherin des baden-württembergischen Umweltministeriums verweist zum Umgang mit den Nilgänsen auf ein offizielles Informationsblatt ihrer Behörde. Dieses führt unter anderem auf, Aufklärungsarbeit sei wichtig, damit Menschen die Tiere nicht füttern oder als Haustiere halten. Außerdem empfiehlt das Ministerium darin die Bejagung, aber auch den Austausch von Eiern aus Nilgans-Nestern. Dies sei im besiedelten Bereich „mit verhältnismäßig geringfügigem Aufwand möglich“. Ferner wird empfohlen, den Gänsen das Leben unangenehmer zu machen, indem Mülltonnen gesichert, das Gras länger wachsen gelassen und ein Sichtschutz zwischen Wasser- und Rasenfläche aufgebaut wird.

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