Er sieht sich selbst als Fatalisten, mag es nicht, wenn seine Kollegen predigen und wohnt aller Gerüchte zum Trotz schon seit sieben Jahren nicht mehr in Stuttgart. Ein Gespräch mit dem Kabarettisten Nils Heinrich.

Stuttgart - Er spielt den Fatalisten, mag es nicht, wenn seine Kollegen predigen, und er wohnt allen Gerüchten zum Trotz schon seit sieben Jahren nicht mehr in Stuttgart. Ein Gespräch mit dem Kabarettisten Nils Heinrich.

 
Herr Heinrich, Ihr neues Programm heißt „Nils Heinrich probt den Aufstand“. Was passiert da in der Rosenau?
Das Publikum wird jemanden sehen, der den Fatalismus für sich als neue Grundeinstellung entdeckt hat. Der sich sagt: Ich war jetzt schon auf so vielen Demos für und gegen verschiedene Sachen und letztlich wird’s ja doch so gedeichselt, dass eben nicht das rauskommt, wofür oder wogegen ich gekämpft habe. Jetzt ist mir eigentlich alles egal, ich habe die Anarchie für mich entdeckt.
Fatalismus und Kabarett – lässt sich das überhaupt verbinden?
Das geht sehr gut! Es gibt ja mittlerweile namhafte Kabarettisten, etwa Volker Pispers oder Georg Schramm, die schon ein Stück weit aufgegeben haben. Die haben jahrelang zum Beispiel gegen Angela Merkel und andere gewettert. Und wer wird am Ende gewählt? Angela Merkel. Da kannst du doch nur noch verzweifeln, wenn du als Kabarettist erkennen musst, dass du all die Jahre für die Leute nur der Quatschkopf warst, der lustige Sachen erzählt.
Es regt sich doch durchaus Widerstand gegen die Kanzlerin. Nur eben von einer Seite, die die meisten Kabarettisten nicht im Sinn gehabt haben dürften.
Natürlich, es gibt den Widerstand von rechts. Ich weiß aber nicht, ob diesem Widerstand nicht ein bisschen zu viel Bedeutung beigemessen wird. Wenn man sich ankuckt, wie die breite Masse der Bevölkerung leben will, sieht man, dass sie aus vernünftigen Leuten besteht. Bei Pegida und AfD hängen dagegen verbitterte Menschen herum mit völlig unrealistischen Vorstellungen. Natürlich gibt es auch die, siehe Essener Tafel, die sich kein Essen leisten können. Aber andererseits laufe ich durch zugeparkte Innenstädte, wo jeder zwei oder drei Autos besitzt, die er nicht wirklich braucht und sich gleichzeitig beschwert, dass er keinen Parkplatz kriegt. Warum soll ich mich darüber auf der Bühne aufregen? Wenn die Leute nicht kapieren, dass sie durch ihre Anspruchshaltung selbst schuld an diversen Missständen sind, dann tut’s mir leid. Ihr seid der Parkplatzmangel, ihr seid der Stau!
Sie lebten vier Jahre in Stuttgart. Wo wohnen Sie jetzt?
In Berlin. Ich werde aber ständig gefragt: „Sag mal, bist du nicht in Stuttgart?“ Und ich muss dann immer erklären: „Nein, seit sieben Jahren nicht mehr.“
Geboren wurden Sie in Sachsen-Anhalt. Kommen Ihre Programme je nach Region unterschiedlich an?
Damals hieß es noch nicht Sachsen-Anhalt! Aber ja, definitiv. Das merke ich, wenn ich auf Tour bin. Manche Themen kommen in einer dünnbesiedelten Region anders an als in der Großstadt. Auf dem Land heißt es: „MeToo und Gender Studies, das sind nicht unsere Probleme. Wir haben hier keine Kneipe mehr, keinen Arzt und das Internet – da kommt pro Sekunde ein Bit aus der Leitung.“ Aber auch Leerstand ist kein ausschließlich ostdeutsches Problem: Kürzlich war ich in Bünden in Westfalen und habe mich mehr erschrocken als in Plaue in Thüringen.
Die, die sich abgehängt fühlen, sind es also tatsächlich?
Ja, das ist aber eben eine Schere zwischen Provinz und Großstadt. Ein Beispiel: In Ostdeutschland ist der Herzinfarkt die Todesursache Nummer eins. Das liegt nicht an schlechterer Ernährung, sondern daran, dass dort in vielen Gegenden die Fahrt ins nächste Krankenhaus eine halbe Stunde dauert. In Großstädten ist die Wahrscheinlichkeit, daran zu sterben, niedriger, weil man im Falle eines Herzinfarkts in zehn Minuten behandelt werden kann.
Im Programmtext heißt es, Sie seien „eine wohlige Ausnahme im nervigen Einerlei der heutigen Kleinkunstübersättigung“. Sind Sie genervt von der Szene?
Im Zuge der Flüchtlingskrise begannen einige Kollegen, nur noch zu predigen – ich selbst bin da keine Ausnahme, ich habe es nur rechtzeitig bemerkt und aufgehört. An sich ist das ja nicht verkehrt. Es ist nur blöd, wenn irgendwann aus jedem der Moralist spricht. Ich muss nicht von zwanzig Kabrettisten hören, dass es scheiße ist, Asylheime anzuzünden. Das weiß ich selber, davon wird es nicht besser. Ich habe eher das Gefühl, je öfter man erzählt, wie kacke die AfD ist, desto eher entstehen Abwehrmechanismen und die Leute winken innerlich ab. Deswegen mache ich nur noch Spaß.

Termin: Am Freitag, 16. März, tritt Nils Heinrich mit seinem neuen Programm in Stuttgart in der Rosenau auf. Beginn ist um 20 Uhr.