Jeder kennt eine Straße, mit der er besondere Erinnerungen verbindet. Für viele Stuttgarter Künstler ist das die Urbanstraße. Jetzt lädt ein von Nina Kurzeja verantworteter Parcours zu ihrer Erkundung – wegen Corona allerdings nur online.

Stadtleben/Stadtkultur/Fildern : Andrea Kachelrieß (ak)

Stuttgart - Musikhochschule, John-Cranko-Schule, dazwischen Einkehr-Institutionen wie der Becher: Die Urbanstraße in Stuttgart ist für viele Künstler keine gewöhnliche Straße, sondern mit besonderen Erinnerungen verknüpft. Mit dem Kulturparcours „Rashomon“ ist die Stuttgarter Choreografin Nina Kurzeja in der Urbanstraße unterwegs. Wegen Corona musste der performative Streifzug ins Internet umziehen, aus Bürgerchor und Künstlerbeiträgen wie einer von Heinrich Steinfest eigens geschriebenen Episode ist nun ein Internetauftritt geworden, der von diesem Dienstag an die Seele einer Straße zeigen will.

 

 Frau Kurzeja, Sie erkunden mit einem Tanz-Kunst-Parcours einen Teil der Stadt. Warum gerade die Urbanstraße?

Diese Straße verläuft fast parallel zur sogenannten „Kulturmeile“ von Stuttgart. Die Urbanstraße ist auch historisch betrachtet sehr nah am Begriff Kultur, weil hier in der Musikhochschule und der Cranko-Schule Künstlerinnen und Künstler ausgebildet wurden und werden. Und dann haben hier auch immer Menschen gelebt. Das fanden wir eine spannende Melange.

Was verbindet Sie persönlich mit diesem Ort?

Als die Sparte „Junge Oper“ noch recht neu war, habe ich dort eine zeitlang als Choreografin für den Chor gearbeitet, der damals aus jungen Menschen bestand, die keine professionelle Sänger waren. Ich erinnere mich an viele Gespräche (oft im Lokal Becher), bei denen ich aufregenden Diskussionen zwischen dem Intendanten Klaus Zehelein, dem Dramaturgen Jens Schroth und dem Junge-Oper-Chef Manfred Weiss lauschen konnte. Ich habe da sehr viel darüber gelernt, wie man „dramaturgisch“ denkt.

Der Titel Rashomon klingt nicht sehr schwäbisch. Was bedeutet er?

Es ist ein japanisches Wort und steht für ein festungsartiges Stadttor. Zu Beginn war die Idee, ein Stück über Erinnerungen zu machen, ausgehend vom Begriff des „Rashomon-Effekt“. (Dieser beschreibt, dass eine Aktion von verschiedenen Menschen unterschiedlich wahrgenommen werden kann, die Red.) Irgendwann nahm die Entwicklung des Projekts eine weitere Richtung – natürlich auch durch die wegen der Pandemie notwendigen Veränderungen. Es heißt ja in künstlerischen Prozessen oft „kill your Babys“ – aber wir wollten unser Baby noch nicht einmal umbenennen.  Vielleicht macht der Titel ja neugierig.

Wegen des Lockdowns musste der Streifzug ins Internet umziehen. Was fällt weg, was vermissen Sie?

Definitiv: das analoge Arbeiten im Team. Dreharbeiten konnten ja nur in kleinen Konstellationen stattfinden. Dadurch sind wir uns auch nur sehr vereinzelt live begegnet. Zudem war deswegen der zeitliche Aufwand viel größer. Und natürlich gibt es Ideen und Szenen, die nur in einer Live-Situation eine sinnvolle Umsetzung gefunden hätten. Ich hoffe, es fehlt nicht – es ist nur anders.

Wollen Sie die Live-Performance 2021 nachholen?

Leider nein. Blomst! als Veranstalter hatte eine Transformation zurück von digital ins Analoge geplant, aber keine weiteren Förderungen hierfür erhalten. Das ist deshalb schade, weil dies für uns alle sicherlich eine aufregende künstlerische Herausforderung gewesen wäre. 

Rashomon ist am 7. Dezember 2020 um 19 Uhr bei der Vernissage als Live-Stream aus dem Stadt-Palais (www.stadtpalais-stuttgart.de) zu erleben und vom 8. Dezember 2020 an unter www.rashomon-stuttgart.art

Die beteiligten Künstler: Nina Kurzeja (Idee, Konzeption, Dramaturgie), Alexander Schmidt (Film), Pilar Murube (Choreografie), Scott Roller, Roderik Vanderstraeten (Musik/Komposition), Marie Freihofer (Ausstattung), Dennis und Robin Eitle (Parcours-Artisten), Duo Jost Costa (Musik), Diane Marstboom, Daniela Wörner, Luis Hergón, Raphael Nübel (Performance)