Oberbürgermeister Fritz Kuhn hat am Montag vor 8000 Demonstranten alle Flüchtlinge zu willkommene Gästen in Stuttgart erklärt. Für einen anderen Spruch wurde er von der AfD hart angegangen.

Stuttgart - Still liegt er da, der Schlossplatz. 16.25 Uhr am Montag, noch 35 Minuten bis zur Anti-Pegida-Kundgebung und vor der Bühne stehen in einzelnen Grüppchen maximal ein paar Hundert Menschen – da und dort weht ein Fähnchen. Es sieht nicht gut aus für das geplante machtvolle Zeichen Stuttgarts gegen die fremdenfeindliche Pegida-Bewegung. Fritz Mielert vom Veranstalter „Die Anstifter“ schaut ein wenig skeptisch von der Bühne in die Dämmerung, aber mit jeder Minute hellt sich seine Miene auf. Die Menschen strömen herbei – und das mit Macht.

 

Der Platz füllt sich im Eiltempo, Punkt 17 Uhr sind die Treppen hinauf zum Kleinen Schlossplatz dicht, der Platz bis zur Mitte des Königsbaus voll. In ungewohnter Eintracht vermelden Veranstalter und Polizei 8000 Demonstranten, die zeigen wollen, dass „in Stuttgart Flüchtlinge und Ausländer willkommen sind“, wie Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) in seiner Ansprache betont. Der OB ist einer von sechs Rednern, die im Prinzip eine gemeinsame Botschaft haben: In Stuttgart soll die Pegida-Bewegung mit ihrem hinter angeblichen Bürgerinteressen versteckten Rassismus keine Chance haben. Und während am Montag in Dresden 18 000 für Pegida auf die Straße gehen, ist von den bisher nur als Facebook-Phänomen aufgetretenen hiesigen Pegidasten nichts zu sehen. Für eine eigene Demo der Bewegung für kommenden Montag – ein Gerücht, das während der Kundgebung über den Platz schwirrt –, ist bisher auch kein Antrag bei der Stadt eingegangen.

Viele junge Menschen auf dem Schlossplatz

Angesichts des breiten Widerstands dürfte sich die neue Bewegung in Stuttgart auch schwertun. Der Schlossplatz erlebt am Montag eine breite und vor allem auch sehr junge Kundgebung. 185 Organisatoren und Personen hatten dazu aufgerufen, auf dem Platz versammelt sich ein Querschnitt der Bürger. Schüler stehen neben fast schon Vergessenen wie die Piraten, daneben Hilfsorganisationen und auch eine Gruppe syrischer Flüchtlinge, die „Danke Stuttgart“-Schilder in die Höhe halten. OB Kuhn wendet sich in seiner Rede auch an die Flüchtlinge. „Wir betrachten alle Menschen, die zu uns kommen, als Stuttgarter“, ruft er, „und wir wollen die Leute hier so gut wie möglich aufnehmen.“ 2593 Flüchtlinge leben derzeit in Stuttgart, Ende 2015 werden es nach Schätzungen knapp über 4000 sein. Und diese Menschen seien eine Chance für Vielfalt, die Hilfe ein Zeichen der Menschlichkeit und keine Belastung – so der Tenor aller Redner.

OB Kuhn wendet sich auch noch an Pegida-Sympathisanten: „Machen Sie sich nicht zum Wegbereiter von Faschisten“, fordert er. Applaus ist ihm dafür sicher, auch von den S-21-Gegnern unter den Demonstranten, für die die 15 Minuten der OB-Rede freilich keine leichten sind. Kuhn ist für die Tiefbahnhofgegner ja fast so etwas wie das Auge des Bösen. Bei Anti-Pegida sind sie aber inhaltlich beim OB – nur eine Frau ruft: „Runter von der Bühne“.

Wobei es am Ende auch inhaltliche Kritik gibt: „Ich lebe in einem Land, in dem ich gleichberechtigt bin, und deshalb habe ich durchaus Angst vor dem Islam“, sagt eine Frau in der ersten Reihe. Ihren Namen will sie dazu aber nicht hergeben. „Ich arbeite seit 30 Jahren als Erzieherin in einer kirchlichen Einrichtung, da würde ich nur Ärger kriegen.“ Die Stuttgarter AfD-Stadträte bezeichneten Kuhn in einer Erklärung als „Marktschreier des Linksradikalismus“, der zudem die AfD verleumderisch mit Pegida in Zusammenhang gebracht habe. Wörtlich heißt es: „Wenn der OB Erkenntnisse über Verbindungen der Stuttgarter Gemeinderäte zu Pegida hat, soll er sie gefälligst auf den Tisch legen – oder beschämt schweigen.“