Beim Medienforum der Deutschen Welle in Bonn hat der amerikanische Wissenschaftler und Medienkritiker Noam Chomsky gesprochen. Für seine Rede bekam er allerdings weniger Applaus als für einen Tweet.

Bonn - Bundesaußenminister Guido Westerwelle hat die Medien beim „Global Media Forum“ (GMF) der Deutschen Welle in Bonn zu einer „differenzierten Berichterstattung“ aufgefordert. Simplifizierung sei ein Merkmal des „ungeheuren Wettbewerbs“ in den Medien, kritisierte der FDP-Politiker, der den technischen Wandel in der Kommunikationstechnik als „Triebfeder der Globalisierung“ bezeichnete.

 

Die Welt sei heute „an einer ähnlichen Schwelle angekommen wie beim Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft“. Sie rücke enger zusammen, werde aber durch die Masse an Informationen nicht übersichtlicher. Westerwelle betonte, die Pressefreiheit sei der Zwilling der Meinungsfreiheit, beide gehörten untrennbar zusammen. „Nur freie Gesellschaften bringen die Kreativität hervor, die man braucht, um erfolgreich zu sein“, erklärte der Minister, der die Türkei aufforderte, öffentliche Kontroversen auszuhalten. „Das wäre ein Zeichen, dass man auch Teil einer Wertegemeinschaft sein will.“

Chomsky geht gewohnt hart mit der US-Politik ins Gericht

Der alte Plenarsaal des Bundestags, der nun Herzstück des Kongresszentrums in Bonn ist, war bei Westerwelles Auftritt nicht gerade bis auf den letzten Platz gefüllt, obwohl sich doch mehr als 2500 Gäste für die jährliche DW-Tagung akkreditiert hatten. Ganz anders die Stimmung am Vorabend: misst man die Bedeutung eines Gastes am Blitzlichtgewitter, dann war der Star in Bonn ohne Zweifel der Medientheoretiker Noam Chomsky. Beim Auftritt des 84-jährigen MIT-Professors platzte der schmucke Plenarsaal aus allen Nähten.

Die linksintellektuelle Ikone Chomsky ist nicht mehr ganz sicher auf den Beinen, die Stimme ist leise, aber die Schärfe seiner Kritik an der amerikanischen Politik hat kein bisschen gelitten. Von den Atombombenabwürfen 1945 („Kriegsverbrechen“) bis zu den Drohnen-Angriffen der Gegenwart, die nur immer neue Feinde der USA hervorbringen würden – Chomsky, der eine Art Grabrede auf die „real existierende kapitalistische Demokratie“ hielt, ging wie gewohnt hart mit der US-Politik und dem Kapitalismus insgesamt ins Gericht.

Beifall für den letzten Satz

Aber für seinen kritischen Pessimismus erhielt Chomsky doch nur brav-respektvollen Applaus. Der Beifall brandete erst so richtig auf, als die geistesgegenwärtige Moderatorin Chomsky nach der Rede noch um einen Satz bat. Was er sich denn nun von den Medien wünsche? Chomskys schlichte Antwort wurde begeisterter aufgenommen als alle seine düsteren Analysen zuvor und sofort um die Welt getwittert, vermutlich weil sie auch ganz mühelos in einen Tweet passt: „I would like the press to tell the truth about important things.“ Die Presse möge doch bitteschön die Wahrheit über die wichtigen Dinge berichten – das war so etwas wie der Satz des Kongresses, passend auch zum Jubiläum, das mit einem Festakt gefeiert worden war.

Sechzig Jahre gibt es die aus dem Bundeshaushalt – nicht von Rundfunkgebühren – finanzierte Deutsche Welle (DW) nun schon. Der deutsche Auslandsrundfunk beschäftigt 3000 feste und freie Mitarbeiter aus sechzig Nationen und sendet sein Programm weltweit in dreißig Sprachen. Angeblich nutzen weltweit 100 Millionen Nutzer wöchentlich mindestens eines der DW-Angebote. Sie sollen Deutschlands „mediale Visitenkarte in der Welt“ sein, wie Kultur-Staatsminister Bernd Neumann in Bonn betonte. Der DW-Intendant Erik Bettermann erklärte, der Sender sei auch „eine Stimme der Menschenrechte“. Als Kurzwellensender 1953 gestartet, kam bereits 1994 ein Online-Angebot dazu, noch vor dem Fernsehsender DW-TV (2002).

Programmperlen im Ausland

Pünktlich zum globalen Medienforum, einer Art buntem Klassentreffen mit vielen internationalen Gästen, galt es auch noch, einen „Meilenstein in der Mediengeschichte Deutschlands“ (Bettermann) zu feiern. Das klingt vielleicht etwas hoch gegriffen, aber der Intendant hat, wie von allen Seiten betont wird, vier Jahre lang hartnäckig darum gekämpft: um die vor wenigen Tagen beschlossene engere Zusammenarbeit von DW sowie ARD, ZDF und Deutschlandradio. Der Bund, der die Finanzhoheit über die DW hat, musste erst einmal die Ministerpräsidenten mit ins Boot holen, denn Rundfunk ist Ländersache. Eine zähe Sache war das, weil es letztlich ums Geld geht. Wer zahlt zum Beispiel für die Auslandsrechte, die erworben werden müssen, wenn die DW Filme, Serien oder Dokumentationen von ARD und ZDF übernehmen will? Ländern und Sendern wurde zugesichert, dass keine Gebührengelder verwendet werden, sondern dass der Bund der Deutschen Welle das zusätzlich benötigte Geld zur Verfügung stellen wird. Wieviel das sein wird, ist allerdings völlig offen.

Bettermann hat die Kuh rechtzeitig vor seinem Ausscheiden im Herbst vom Eis gebracht, sein Nachfolger Peter Limbourg, der ehemalige Nachrichtenkopf bei Sat1/N24, wird sich nun mit den Vertragsdetails herumschlagen müssen. Immerhin hat Lutz Marmor, der ARD-Vorsitzende, seine Unterstützung für das Projekt „Deutsche Welle reloaded“ zugesagt: „Was kann uns Besseres passieren, als unsere Programmperlen im Ausland zu präsentieren?“ Das könne ein „Tatort“ sein, aber gerade in den dritten Programmen gebe es viele Sendungen, die ein differenziertes Bild von Deutschland im Ausland zeichnen würden.