Deutschland im Jahr 2021: Mieses Internet und, noch schlimmer, ein fast schon verzweifeltes Festklammern an Bargeld. Das muss nicht sein, ist längst nicht mehr zeitgemäß und außerdem fürchterlich unhygienisch, findet unser Autor.

Stuttgart – Vor rund zwei Jahren erlaubte ich mir in einem anderen Artikel an einer anderen Stelle über Deutschlands verkrustetes, verstaubtes Festhalten am Bargeld zu schreiben. Über das Klammern an ein vollkommen überholtes, unpraktisches und unhygienisches Konzept, das in der modernen Welt reichlich Belustigung hervorruft und fortschrittliche Individuen wie mich regelmäßig an den Rand der Verzweiflung bringt. Die Reaktionen fielen, wie erwartet, extrem aus. Ich wurde verwünscht, verflucht, Namen genannt. „Mit einem Sack voller Kleingeld verprügeln“ war mein Favorit.

 

Die Pandemie enttäuscht

Dann war Pandemie. Und jetzt bin ich zurück. An meiner Meinung zum Bargeld hat sich nichts geändert. Doch leider hat sich meine berechtigte Hoffnung zerschlagen, dieses dämliche Virus würde auch noch dem letzten Verfechter die Lust am Cash austreiben. Ich war zu naiv. Wir drücken keinen Klingelknopf mehr, ohne uns großflächig zu desinfizieren; aber die Kohle, die durch tausende fremde Hände gegangen ist, die fassen wir immer noch an. Unfassbar.

Noch mal an alle die, die noch nicht die Möglichkeit hatten, mich figurativ mit einem Sack voller Kleingeld zu verprügeln: Bargeld ist doof. Unpraktisch, unhandlich, dreckig, schwer, vollkommen überflüssig. Deutschland im Jahr 2021, das ist "Cash in der Däsch" und eine mobile Netzabdeckung, die der in der Atacama-Wüste beschämend nah kommt. Technologiestandort? Schon, aber nur nach den Standards um die Wiedervereinigung.

Rückgeld? Eher rückwärts!

Wer will schon mühsam Münzen zusammenklauben, wenn man einfach mit der Karte bezahlen kann? Kontaktlos sogar, schneller, hygienischer und einfacher geht es nicht. Die Kassierer:innen müssen nichts passend rausgeben, man hält die lange Schlange nicht auf, man bekommt kein Rückgeld in die Hand. Dass wir dafür überhaupt ein Wort haben, sagt schon alles. Rückgeld.

Meinetwegen muss man das Bargeld ja gar nicht abschaffen. Das ist ein freies Land. Ich kann auch niemanden dazu zwingen, sich nach dem Toilettengang die Hände zu waschen. Obwohl ich gerne würde. Alles, was ich will, ist die lückenlose, flächendeckende, ausnahmslose Möglichkeit, mit EC-Karte bezahlen zu können. 

Nichts gegen Trinkgeld

Um die Dinge mal kurz ins europäische Verhältnis zu setzen: 49 Prozent der Deutschen, also praktisch jeder zweite, zahlen im Supermarkt am liebsten bar. In Schweden nutzen nur neun Prozent überhaupt noch Bargeld und in manchen Bars in Amsterdam oder Kopenhagen ist Barzahlung mittlerweile abgeschafft. Ein Skandal, der mittlerweile sogar die Landeshauptstadt erreicht hat: Die Masseria in der Calwer Straße bietet zahlreiche Zahlungsoptionen. Außer Cash.

Als Freund der Gastronomie weiß ich um den unschätzbaren Wert des Trinkgelds, als aufmerksamer Flaneur der Fußgängerzonen entgehen mir auch die obdachlosen Mitmenschen nicht. Schon klar, dass Bargeld hier hilfreicher ist. Ich sehe es aber so langsam nicht mehr ein, in jedem Geschäft mit servilem Unterton und entschuldigendem Grinsen fragen zu müssen, ob es auch mit Karte geht. Himmel, wir fliegen mit einem Helikopter über dem Mars und ich muss immer noch Bargeld mit mir herumschleppen? Kann doch nicht sein!