Der Schorndorfer Spritzguss-Hersteller Akgün ist wegen seines sozialen Engagements für benachteiligte Jugendliche für den Deichmann-Förderpreis nominiert.

Schorndorf - Auf den ersten Blick ist die Firma Akgün Kunststoffspritzguss ein ganz normales Unternehmen. In der Werkhalle ziehen sich hohe Lagerregale bis knapp unter das Dach, es laufen tonnenschwere Produktionsmaschinen. Doch auf den zweiten Blick ist da Thomas Günther. Der junge Mann mit einer geistigen Behinderung packt überall mit an, wo gerade Unterstützung gebraucht wird.

 

„Ich habe eine Niedervoltage im Kopf. Bei mir läuft alles etwas langsamer ab, und ich bin vergesslich“, erklärt der 22-Jährige, der seine Arbeitsaufgaben mit großer Sorgfalt, Gewissenhaftigkeit und Eifer erfüllt. Des Weiteren gehören zu der zehnköpfigen Belegschaft die drei Auszubildenden Codrut Varga, Seyed Hosaini und Karanvir Singh, die nicht unbedingt die besten Voraussetzungen für einen Start ins Berufsleben mitgebracht haben.

Viele Bewerbungen und viele Absagen

Auf rund 20 bis 30 Lehrstellen habe er sich zuvor erfolglos beworben, berichtet Karanvir Singh. Der 23-Jährige ist 2014 allein von Indien nach Deutschland gekommen, hat Deutschkurse belegt und einen Bundesfreiwilligendienst absolviert, während er unablässig nach einer Lehrstelle gesucht hat. „Aber niemand hat mir geglaubt, dass ich eine Ausbildung schaffen kann. Nur Hilfsjobs hat man mir angeboten“, erzählt der junge Mann, der bei der Firma Akgün inzwischen Verfahrensmechaniker Fachrichtung Kunststoff lernt und bereits im dritten Lehrjahr ist.

Ähnlich ist es Codrut Varga ergangen, der als Neunjähriger mit seinen Eltern von Rumänien nach Deutschland eingewandert ist. „Ich habe nur einen Hauptschulabschluss, die meisten wollen aber Realschulabsolventen“, berichtet der 18-Jährige, der nun ebenfalls eine Ausbildung zum Verfahrensmechaniker macht und im ersten Lehrjahr ist.

Allein in einem völlig fremden Land

In einem ihm fremden Land völlig auf sich allein gestellt ist wie Karanvir Singh auch Seyed Hosaini gewesen, als er 2015 als Flüchtling von Afghanistan nach Deutschland kam. Jetzt ist er glücklich bei der Firma Akgün im ersten Lehrjahr eine Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik machen zu können. „Der Beruf gefällt mir“, sagt der 19-Jährige schüchtern.

So unterschiedlich ihre Herkunft ist, so einig sind sich die jungen Männer, was ihren Chef angeht. Gut sei er und sehr nett, sagen die Drei unabhängig voneinander übereinstimmend über Yalcin Akgün. Man könne mit ihm über alles offen sprechen, über Schwierigkeiten in der Berufsschule ebenso wie über private Probleme. Er helfe ihnen, glaube immer an sie.

Betriebsausflug zur Preisübergabe

Nicht umsonst also gehört Yalcin Akgün mit seiner Firma zu den Finalisten des diesjährigen Deichmann-Förderpreises für Integration in der Kategorie „Berufliche Förderung durch Unternehmen“. Zur Preisverleihung am 14. November in Düsseldorf will Akgün mit seiner Belegschaft anreisen. „Wir verbinden das gleich mit einem Betriebsausflug, übernachten dort und verbringen noch einen Tag damit uns die Stadt anzusehen“, sagt der Firmenchef, für den es nicht die erste Auszeichnung für sein soziales Engagement wäre. Bereits 2014 ist sein Betrieb von den Wirtschaftsjunioren Deutschland deswegen zum Ausbildungs-Ass gekürt worden. Privat hat Akgün, der zehn Jahre für die SPD im Stadtrat saß, schon von der Stadt Schorndorf die Daimler-Medaille verliehen bekommen. Er ist im Vorstand verschiedener Vereine aktiv und war als Elternbeirat tätig außerdem setzte er sich für den interkulturellen Dialog zwischen Muslimen, Christen und Juden ein.

Geduld mit jungen Menschen

Was motiviert ihn, sich als Unternehmer junger Menschen anzunehmen, die aufgrund von beispielsweise sprachlichen Hürden, nicht dem üblichen Wunschbild eines Bewerbers entsprechen? Bereits bevor er sich vor zehn Jahren selbstständig gemacht habe, habe er bei seinen Tätigkeiten als Meister, Abteilungs- und Betriebsleiter einer Firma für Kunststoffspritzguss gemerkt, dass er „besonders geduldig mit jungen Menschen ist, die auf Anhieb nicht alles verstehen oder Startschwierigkeiten in Sachen Pünktlichkeit, Fleiß und Disziplin haben“, erzählt Akgün. „So ist es mir gelungen sie zu motivieren und sie in drei Jahren zu Facharbeitern zu machen, wie man sie sich wünscht.“

Dieses Engagement setze er nun als Firmenchef lediglich fort. Sein Vorbild hierbei sei ein pensionierter Religionslehrer, der ihm einst als Kind türkischer Migranten in der letzten Klasse der Hauptschule zur Seite stand und ihm half, einen Ausbildungsplatz zu finden.