Der CDU-Politiker Norbert Röttgen geht mit der Berliner Koalition hart ins Gericht. Dass für Verteidigungsfähigkeit und Friedenssicherung nicht annähernd genug getan wird, nennt er „mehr als grob fahrlässig“.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

München - Vor der Sicherheitskonferenz in München häufen sich die schlechten Nachrichten aus der Bundeswehr: Alle U-Boote sind in der Werft. Für Einsätze müssen zivile Hubschrauber gemietet werden. Die Hälfte der Kampfpanzer ist kaputt, und bei der Marine ist alles, was noch schwimmt, schon im Einsatz. Norbert Röttgen, der Chef des Außenausschusses im Bundestag, ist darüber zutiefst besorgt.

 
Herr Röttgen, das Verteidigungsministerium musste in dieser Woche einräumen, dass die „Einsatzbereitschaft der Bundeswehr generell nicht zufriedenstellend ist“. Wie kommt ein solcher Offenbarungseid vor der Sicherheitskonferenz in München an?
Sie haben die Aussage des Wehrbeauftragten unterschlagen, dass die Bundeswehr die Landes- und Bündnisverteidigung aktuell nicht leisten kann. Der Zustand der Streitkräfte ist ein staatlicher Offenbarungseid. Es ist ein richtiger Hammer, wenn der Staat erklärt, dass er zu einer seiner absoluten Kernaufgaben nicht in der Lage ist: die äußere Sicherheit des Landes und der Bündnispartner zu gewährleisten. Das ist ein Skandal, der die Bürger in ihrem Vertrauen in die Bundesrepublik erschüttert. Diesen Zustand weiter hinzunehmen, ist absolut inakzeptabel.
Die Verantwortung für die Bundeswehr liegt seit zwölf Jahren bei der Union. Wie konnte das passieren?
Vor zwölf Jahren haben wir alle noch an die Friedensdividende nach dem Ende der Sowjetunion und der Wiedervereinigung Europas geglaubt. Wir sahen uns von Freunden umzingelt, haben die Wehrpflicht abgeschafft und die Streitkräfte geschrumpft. Im Hintergrund stand die Frage: Wozu brauchen wir das alles noch? Aber vor vier Jahren hat sich die Welt geändert.
Damals hat Russland die Krim annektiert und Krieg in der Ost-Ukraine angezettelt.
Seither ist die Welt viel gefährlicher und unberechenbarer geworden. Für Deutschland hat sich die Lage aus allen Himmelsrichtungen bedrohlich verändert: im Osten durch Putins aggressiven Nationalismus. Das Chaos südlich von Europa kann jederzeit auf uns überspringen. Im Westen gibt es mit US-Präsident Trump neue Risiken aus Washington. Die Bundesregierung und die Koalition haben deshalb den Schrumpfkurs der Bundeswehr beendet, und es geht zaghaft in die richtige Richtung. Aber Deutschland hat auf diesen historischen Wandel, der gefährlich für uns ist, noch überhaupt keine angemessene Antwort. Das ist mehr als grob fahrlässig.