Die Nord-Südstraße ist 25 Jahre alt. Niemand gratuliert zum Geburtstag, vor allem die Pendler nicht, die dort täglich im Stau stehen. Der Bau der Straße war eine fast unendliche Geschichte.

Filder - Es gibt wenige Sätze, die ewige Gültigkeit haben. „Die grundlegende Verkehrsentlastung der Filder aufs nächste Jahrtausend vertagt“ aus den Stuttgarter Nachrichten gehört dazu. Der Redakteur Gert Fach schrieb ihn am 13. Februar 1989 im Zusammenhang mit dem Gerangel um den Bau der Nord-Süd-Straße, und wieder scheint es, als liege die große Lösung immer noch in weiter Ferne.

 

Die Nord-Süd-Straße ist heute 25 Jahre alt geworden. Trotz Jubiläum ist von Freude keine Spur zu erkennen. Denn von der Entlastung, die die Straße bringen sollte, ist heute nichts zu spüren. Hier staut der Verkehr, weil die Infrastruktur nicht mit dem Wachstum von Industrie, Handel und Gewerbe Schritt halten konnte. Bis nun ein weiterer übergreifender Verkehrsplan zur Lösung des Desasters entsteht, der das Step-Areal, den Uni-Campus, die Flughafen-City und den Synergiepark, also die ganze große Verkehrsdrehscheibe auf den Fildern in eine Planung zusammenfasst, wird wohl noch viel Zeit vergehen.

Widerstand aus allen Richtungen

Die Nord-Süd-Straße selbst war eine schwere Geburt. Die etwa fünf Kilometer lange Straße führt vom Step-Areal in Vaihingen bei der S-Bahn-Haltestelle „Österfeld“ vorbei am SynergieparkMöhringen/Vaihingen hin zur Autobahn A 8 und zur Maybachstraße in Unteraichen. Rund 77 Millionen Mark hat sie gekostet. Eigentlich sollte sie fertig sein, als die ersten der rund 3500 Mitarbeiter von Daimler Benz im Sommer 1989 in die neue Hauptverwaltung in Möhringen einzogen, aber davon konnte keine Rede sein. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Bundesverkehrsministerium in Bonn gerade erst grünes Licht gegeben für die Anschlussstrecke an die Autobahn.

Nun mussten sich Stuttgart und Leinfelden-Echterdingen auf einen Planentwurf einigen. Allerdings herrschte zwischen den beiden Städten Uneinigkeit. Der Gemeinderat in Leinfelden-Echterdingen trat auf die Bremse. Er fürchtete mehr Verkehr im Stadtteil Unteraichen. Im April 1986 legte der Technische Ausschuss mit großer Mehrheit die Planung der Nord-Süd-Straße vorerst auf Eis. Erst solle ein Gesamtverkehrsplan vorliegen. Oberbürgermeister Wolfgang Fischer warnte vor einer „Auffang-Situation“ vor den Toren der Landeshauptstadt zu geraten.

Außerdem mauerten Naturschützer und Bürger. Im Dezember 1985 hatte sich der Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg gegen die Nord-Süd-Straße ausgesprochen. Seit Bestehen des Landes sei der Anteil der Straßenfläche auf fast fünf Prozent gestiegen. Es dürfe keine weiteren Straßenneubauten geben. Den Autofahrern dürften Umwege zugemutet werden. Der Landwirtschaft sei durch den Bau der B 27 schon kostbarer Ackerboden entzogen worden. Leinfelden-Echterdingens Bauern hätten seit 1960 rund 500 Hektar, also ein Sechstel der gesamten Gemarkung, eingebüßt. „Besonders schmerzlich“ an der Nord-Südstraße sei, dass sie im Süden ein ökologisch wertvolles Wiesental durchschneide.

Bürger wettern gegen den Autobahnanschluss

„Das klappt nie!’“ hieß es in der Schlagzeile zur Nord-Süd-Straße am 25. März 1989 in den Stuttgarter Nachrichten. Die Bürger liefen Sturm, nicht gegen die Trasse, sondern gegen den Autobahnanschluss. Die „Bürger-Aktionen für Autobahnanschluss und Nord-Südstraße, Verkehrsberuhigung und Ostumfahrung“ (Bavo) und die „Arbeitsgruppe Vaihinger Bürger zur Verkehrsberuhigung“ befanden: „Das ganze Ding ist vermurkst.“ Die Protestierenden befürchteten, dass sich der Verkehr wieder ins Ortsinnere von Vaihingen ergießen würde. Aus Sicht der Stuttgarter Stadtverwaltung war der Autobahnanschluss nicht optimal, aber Baubürgermeister Hansmartin Bruckmann vertrat den Standpunkt: „Die Stadtverwaltung als Realistin befürwortet lieber eine mögliche Lösung als dass sie Utopien nachjagt.“ Eine andere Lösung sei weder bei Leinfelden-Echterdingen, noch beim Landesamt für Straßenwesen, noch beim Bundesverkehrsministerium durchsetzbar gewesen. Die aufgebrachten Bürger vertrauten den Versprechen der Verwaltung nicht, die bisherigen Vaihinger Durchfahrtsstraßen auf eine Spur pro Richtung zurückzubauen und am Schillerplatz die Spuren zu reduzieren. Sie wandten sich mit einem Protestbrief an den Bundesverkehrsminister Jürgen Warnke. OB Manfred Rommel warnte: „Ich kann nur hoffen, dass durch Ihre Aktivitäten die Realisierung der Nord-Süd-Straße nicht wieder in Frage gestellt wird.“

Dass es dennoch gute Nachrichten für die Straßenbefürworter gab, war auch der Hartnäckigkeit des Stuttgarter Bundestagsabgeordneten Roland Sauer zu verdanken. Er hakte immer wieder im Bundesverkehrsministerium in Bonn nach und machte Druck auf das Landesverkehrsministerium. Die Stuttgarter Zeitung titelte am 23. Juli 1991: „Nord-Süd-Straße zwischen Möhringen und Vaihingen bis in zwei Jahren fertig.“ Kurz zuvor hatte der Gemeinderat die Weichen im Baurecht für die weitere Ansiedlung für Industrie am Wallgraben und in den Industriegebieten Vaihingens und Möhringens geschaffen.