Memphis ist die Blues-Metropole der USA und für Musikbegeisterte ein echtes Muss.

Memphis - Es stimmt, was alle immer sagen. Die eine Erkenntnis, die sie nach einer mehrwöchigen USA-Reise mit nach Hause bringen, nach Besuchen in überdimensionierten Einkaufszentren und mittelklassigen Hotels, sie stimmt: Eine Klimaanlage kann verdammt kalt sein. Leo, der Busfahrer, lacht da nur, summt sein Liedchen, das er schon seit Stunden summt, und dreht die Lüftung ein Stück weiter auf. Noch mehr eiskalte Klimaanlagen-Luft, damit sie auch die hinteren Sitzreihen erreicht. Wir sind einen Abend lang durch Memphis geschlendert, der größten Stadt im Staat Tennessee, ein kurzes Stück entlang des Mississippi, dann hinein ins Zentrum des Memphis Blues, zur Beale Street. In den vierziger Jahren des vergangenen Jahrtausends war die Beale Street Treffpunkt der Schwarzen auf der Durchreise, ungezählte Musiker versammelten sich hier. Memphis war für sie eine Zwischenstation, wo sich Straßen und Schienenstränge aus vielen Südstaaten vereinten. Heute dient die Beale Street als Unterhaltungsmeile, mit kommerzialisierten Clubs und bunt geschmückten Restaurants. Auf der Straße drängen sich die Touristen, Kleinkünstler aller Couleurs stellen sich dar, die Stimmung ist gut, ausgelassen gar, und das ganz ohne Alkohol, denn der ist - wie fast überall im Land - verboten auf öffentlichen Straßen.

 

Das wichtigste ist immer stilvoll zu bleiben

Manchmal tragen die Touristen große Namen. Die Rolling Stones oder Eric Clapton sollen regelmäßig in der Beale Street vorbeischauen, erzählt man sich. Einfach nur so, um sich die feiernde Menge draußen anzuschauen und einen Whiskey in B. B. King’s Blues Club zu trinken. Mit der Beale Street von heute hat die von damals nichts mehr zu tun. Nur das Klima ist geblieben. Die Luft ist schwül und feucht, die Temperaturen liegen bei 30 Grad, auch an einem herbstlichen Abend, und die ganze Zeit hat man das Gefühl, jemand drücke einem nasse Handtücher in den Nacken. Zum Glück gibt es Menschen wie Leo, den Busfahrer. Er erinnert uns daran, stilvoll zu bleiben. Mit polierten, knöchelhohen schwarzen Stiefeln, dunkler Anzughose und einem weißen Oberhemd: So sitzt er jeden Tag hinter dem Lenkrad, immer gut gelaunt. Auch an diesem Abend fährt er uns fröhlich summend zurück ins Hotel, die Klimaanlage faucht durch die Lüftungsschlitze. Wir, die Gruppe aus Europa, in T-Shirts und kurzen Hosen, frieren. Die Französin packt einen Schal aus und schlingt ihn sich um den Hals. Ein modisches Accessoire, aus der Not geboren.

Am nächsten Morgen verlassen wir die Stadt auf dem Highway 61 in Richtung Süden. Die Fahrt führt über offenes Land, viel Baumwolle ist zu sehen, die Felder liegen da wie mit Puderzucker bestäubt. Der Highway 61 ist mehr als 2500 Kilometer lang, er durchzieht die USA von Minnesota bis nach New Orleans. Bekannt geworden ist er durch Bob Dylans Platte von 1965 „Highway 61 Revisited“. Der Highway ist die Straße des Blues, seine Lebensader. Mitte des 19. Jahrhunderts standen hier Millionen schwarzer Sklaven und schufteten für ein paar Dollar am Tag auf den großen Baumwollplantagen - unter sengender Sonne, bei schwül-feuchter Hitze. Auf den Feldern lamentierten die Arbeiter in einem fort, sie sangen und erfanden immer neue Texte dazu. Es entstand der Blues. Der Gitarrist Robert Pete Williams schrieb über die Atmosphäre damals: „Es liegen Töne in der Luft, und die Töne schwellen zum Blues.“

Der Mississippi ist rund 4096 Kilometer lang

Nach dem Bürgerkrieg 1865 konnten sich die Schwarzen einigermaßen frei bewegen. Und so zogen sie von Plantage zu Plantage, als rastlose Tagelöhner oder mit ihren Familien, um den angehäuften Schulden zu entkommen. Auf dem Highway 61 verschmolzen Träume und Verzweiflung, und der Blues bildete den Soundtrack für diese Epoche machende Szenerie.

Wir kommen der anderen großen Konstante der USA, dem Mississippi, wieder näher und halten in Greenville. Peter Nimrod empfängt uns, der Chef-Ingenieur des Mississippi Levee Board, so etwas wie der Deichbehörde der Region. Nimrod ist ein gut aussehender, hochgewachsener Mann. „Das ist also der Deichgraf vom Mississippi“, flüstert eine Kollegin aus Ostdeutschland in Anspielung an Theodor Storms Gedicht vom Schimmelreiter. Der Mississippi, der größte Fluss Amerikas, ist für seine Bewohner zum Mythos geworden. Indianer, die an seinen Ufern siedelten, tauften ihn einst „Mesepi“ (breites Wasser). Der Fluss ist 4096 Kilometer lang, er entspringt in Minnesota, kurz unterhalb der kanadischen Grenze und mündet bei New Orleans, Louisiana, in den Golf von Mexiko. Das sind die Fakten. Abgesehen davon ist der Mississippi mehr als ein Strom, der Norden und Süden, Osten und Westen des Landes miteinander verbindet.

Die größte Flutkatastrophe des Landes überschwemmte 70.000 Quadratkilometer

Über den Mississippi fanden die spanischen und französischen Eroberer den Weg ins Landesinnere. An seinen Ufern wurde im Bürgerkrieg gekämpft. Doch vor allem bringt der Mississippi neues Leben. Die immer wiederkehrenden Überschwemmungen spülen fruchtbare Erdschicht an. Nimrod erzählt von all dem in seinem Südstaaten-Dialekt, der sich zäh wie ein Kaugummi über die Wörter legt. Der Mann ist stolz auf seine Behörde, man kann es hören. Sie entstand nach dem Jahrhunderthochwasser von 1927, der größten Flutkatastrophe des Landes. 700.000 Menschen mussten ihre Häuser verlassen, überschwemmt war eine Fläche von 70.000 Quadratkilometern, doppelt so groß wie Baden-Württemberg. Damit so etwas nie wieder passiert, dafür gibt es Menschen wie Nimrod.

Es ist dann doch passiert - im vergangenen Jahr. Mitte April zogen zwei Sturmfronten über das Einzugsgebiet des Mississippi hinweg. Zu allem Unglück setzte die Schneeschmelze im oberen Mittelwesten des Landes ein. Alles zusammen ergab die zweitgrößte Flut seit 1927. Im Bezirk Tunica, zwei Autostunden nördlich von Greenville gelegen, mussten zahlreiche Spielbanken schließen, sie standen auf Schiffen, die auf dem Mississippi vor Anker lagen. Zu den Spielbanken gehörten Hotels. Die hatten sich am Ufer angesiedelt. Und auch dort dasselbe Bild. Das Erdgeschoss des Harrah’ s Tunica Casino, nur ein Beispiel von vielen, stand zwei Meter unter Wasser.

Weiter geht es für uns südwärts entlang des Mississippi, hinein in die Welt des Grand Old South, die Welt der Scarlett O’Hara. Dort säumen weiße neoklassizistische Marmor-Villen die Straßen, umschlungen von prächtigen Parks voller Glanz und Gloria. Leo, der Busfahrer, startet den Motor und dreht die Klimaanlage wieder auf eiskalt. Wir stehen mit Chef-Ingenieur Nimrod vor seinem Büro und verabschieden uns. Noch kurz in der Sonne verweilen, wo es heiß ist.

Ein gutes Gefühl.

Infos zu Memphis

Anreise
Von Deutschland nach Memphis fliegt man unter anderem mit Delta Air Lines, US Airways oder United Airlines, mit Zwischenstopp. Preise: zwischen 550 und 750 Euro.

Unterkunft
Nicht ganz billig, dafür ein echtes Erlebnis ist das Peabody Hotel in der Innenstadt von Memphis. Das prächtige Gebäude wurde Ende des 19. Jahrhunderts errichtet. Ein Doppelzimmer kostet um die 300 Euro, www.peabodymemphis.com. Günstiger kommt man in dem guten Mittelklassehotel Hampton Inn & Suites weg, das an der Unterhaltungsmeile Beale Street liegt. Ein Doppelzimmer kostet etwa 130 Euro. http://hamptoninn.hilton.com

Ausflugstipp
Etwa 14 Kilometer von der Innenstadt entfernt liegt Graceland, die fünf Hektar große ehemalige Residenz von Elvis Presley. Sie ist heute ein Museum, randvoll mit kitschigen Erinnerungsstücken an den großen Sänger. www.elvis.com

Mehr Informationen
Ob Straßenkarte oder Reisebroschüre: Das Verkehrsbüro Memphis & Mississippi in Bielefeld versorgt Interessenten mit wichtigen Alltagshilfen für die Reise. http://memphis-mississippi.de

Was Sie tun und lassen sollten
Auf jeden Fall lohnt eine Ausflugsfahrt mit einem Schaufelraddampfer über den Mississippi. Die Fahrten ab Memphis dauern etwa zwei Stunden. www.memphisriverboats.net

Auf keinen Fall sollte man im Sommer ohne Kopfbedeckung nach draußen gehen. Memphis liegt in der immer feuchten subtropischen Klimazone, Es kann sehr heiß werden.