In Belfast ist man Randale gewöhnt. Ein Spielzeugladeninhaber schlägt daraus Profit. Seine Bausätze aus Steinewerfern und ausgebrannten Bussen finden reißenden Absatz.

Korrespondenten: Peter Nonnenmacher (non)

Belfast - So weit die Belfaster zurück denken können, hat es im Herzen der nordirischen Hauptstadt, in Queen Street, ein Geschäft für Miniaturspielzeug gegeben. Modelleisenbahnen und historische Flugzeuge, Pferde, Panzer und Weltkriegssoldaten wurden dort verlauft. Auch durch die Troubles, die blutigen nordirischen Unruhen, wusste sich der kleine Laden zu retten. Ein Strom treuer und spielbegeisterter Kunden hielt ihn am Leben. Wohl aus Dankbarkeit fügte der Laden seinem Sortiment in vergangenen Jahren ein paar spezifisch nordirische Modelle hinzu, wie etwa einen Polizei-Landrover mit Original-Kühlergrill, Überwachungskamera und rostigen Flanken.

 

Im März dieses Jahres aber musste das Geschäft aus der Queen Street ausziehen. Parkplatzprobleme im Zentrum Belfasts erzwangen die Verlegung an die Peripherie. Außerdem, klagte Ladeninhaber Gareth Hutchinson, hätten die leidigen Samstags-Demonstrationen im Streit um den Union Jack auf dem Rathaus von Belfast zum Ausbleiben der üblichen Kundschaft geführt. Die damit verbundenen wöchentlichen Krawalle machten dem Spielzeugmann das Leben und seinen Miniaturfiguren den Absatz schwer.

Glücklicher Griff dank Ex-Minister Gerry Kelly

Ausgerechnet eine Straßenschlacht in diesem Sommer aber half Hutchinson auch zu einem neuen Start – und zu ganz unerwarteter Prominenz. Im Juni nämlich, als zur Paradenzeit wieder schwere Unruhen im Norden Belfasts ausbrachen, tat der Händler einen glücklichen Griff. In den Nachrichten hatte er gesehen, wie der zur Eindämmung der Spannungen herbei geeilte Sinn-Féin-Abgeordnete und Ex-Minister Gerry Kelly von einem Landrover aufgegabelt und an dessen Kühler festgekrallt von dem Fahrzeug ein Stück weit die Straße hinunter befördert wurde. Der weithin bekannte Politiker, der auch im Aufsichtsrat der nordirischen Polizei sitzt, blieb unverletzt. Für seinen Sprung auf den Grill des Polizeiwagens wurde er hernach in spöttischer Bewunderung zum „Shinnerman“, zu einer Art republikanischem Superman, erklärt.

Die Sache hatte sich an einem Freitagabend zugetragen. Am Sonntag malte Hutchinson „aus reinem Jux“ , wie er sagt, einer seiner Figuren die graue Hose und den dunkelblauen Kittel Kellys an, klemmte das Figürchen einem seiner Landrover auf den Kühler und stellte die Szene im Schaufenster seines Ladens aus.

Am Montagmorgen begannen die ersten Passanten und Kunden sich über die Sache zu amüsieren und Fotos zu machen. Am Montagabend hatte der Gag das Internet erreicht. Kelly im Miniaturladen wurde zum Gespräch des Tages. Eine ganze Reihe von Politikern fand die Sache so komisch, dass sie Gareth Hutchinson anriefen und ihm gratulierten. Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams sandte das Bild via Handy schmunzelnd an Freunde und Bekannte.

Belfaster zeigen lebhaftes Interesse

Vor allem aber, berichtete Hutchinson, sei die Flut der Anfragen nach der Kelly-Figur – und generell nach örtlichen Krawall-Szenen – seither nicht abgerissen. „Die Sache ist regelrecht explodiert“, stellt er fest. Inzwischen bastelt der 43-jährige Belfaster an Bausätzen, mit denen sich ganze Straßenschlachten vor völlig authentischer Kulisse nachstellen lassen.

Vor allem in seiner Heimatstadt, so hat er gegenüber Dublins „Irish Times“ bekundet, gebe es lebhaftes Interesse an solchem Spielzeug. „Vielleicht ist ein Grund dafür ja, dass wir alle hier mit diesen Szenen, mit diesen Fahrzeugen aufgewachsen sind. Es ist wie die Musik, die man als Teenager gehört hat. Sie ist einem vertraut. Sie bleibt einem immer erhalten.“

Zurzeit hat der Spielzeug-hersteller und -händler alle Hände voll zu tun, die teils offenbar nostalgische, teils aber auch von aktuellen Ereignissen angeregte Spiellaune seiner Mitbürger zu befriedigen. In Kürze will er nagelneue Belfast-Bausätze offerieren, mit denen man für ein paar Hundert Euro daheim im großen Stil „riots“, also Randale, spielen kann. Steine werfende Figürchen, behelmte Polizisten, Demonstranten mit Plakaten und ausgebrannte Busse stehen für die Konfrontationen schon bereit. Dazu sollen noch Wasserwerfer kommen. Zu Weihnachten, für ein beschauliches Fest unterm Christbaum, soll dann alles fertig sein.