Nordkoreas Diktator Kim Jong-un schlägt aggressive Töne an. Doch seine Drohungen sind hohl, denn wenn das Regime einen Krieg anzettelt, käme das dem politischen Selbstmord gleich.

Pjöngjang - Kim Jong-un gibt sich kriegslustig. Im Tagesrhythmus schickt der nordkoreanische Diktatur der Welt derzeit seine Drohungen. Am Freitag, wenige Stunden nachdem der UN-Sicherheitsrat neue Sanktionen gegen sein Land verhängt hatte, kündigte Pjöngjang den Nichtangriffspakt mit Südkorea. Alle Abkommen, die Entspannung auf der Halbinsel schaffen sollen, würden ausgesetzt, erklärte die offizielle Nachrichtenagentur KCNA. Selbst der heiße Draht, der beiden Seiten im Krisenfall eine letzte Kommunikationsmöglichkeit bietet, werde ausgestöpselt.

 

Es war der Abschluss einer turbulenten Woche. Am Montag meldete KCNA: „Eine Artillerieübung in Anwesenheit des Obersten Befehlshabers Marschall Kim Jong-un hat bewiesen, dass die koreanische Volksarmee keine leere Reden führt, sondern Aggressoren unerbittlich schlagen wird.“ Am Dienstag hieß es, Nordkorea überlege den seit 1953 bestehenden Waffenstillstand mit Südkorea aufzukündigen. Am Mittwoch ließ Pjöngjang die Welt wissen, dass „feindliche Kräfte, die einen Krieg auf der Halbinsel anzetteln wollen, keine Chance haben werden, unseren gnadenlosen, tödlichen Schlägen zu entkommen“. Am Donnerstag drohte Pjöngjang den USA mit einem atomaren Erstschlag.

Das Echo in internationalen Medien ist groß

In den kommenden Tagen dürfte Nordkorea weitere rhetorische Granaten abfeuern – wohl wissend, dass die martialischen Töne in internationalen Medien ein lautes Echo hervorrufen. Dabei halten viele Experten die Drohgeschosse für Schall und Rauch. Andrei Lankov, Politologe an der Kookmin-Universität in Seoul, bezeichnet Nordkoreas Verhalten als „theatralisches Getue“, mit dem das Regime seinen Ärger über die UN-Sanktionen sowie das derzeit stattfindende südkoreanisch-amerikanische Frühjahrsmanöver ventiliere. „Solche Rhetorik hören wir jedes Jahr viele Male“, sagt Lankov. „Aber die praktischen Auswirkungen sind gleich null.“ Auch westliche Diplomaten sehen die Entwicklung gelassen. „Die aggressive Haltung ist ein schlechtes Signal“, erklärt einer. „Die Nordkoreaner wissen jedoch ganz genau, dass sie sich vor einem ernsthaften Konflikt hüten müssen.“

Denn allem zur Schau gestellten Selbstbewusstsein zum Trotz wäre Nordkoreas rückständige Armee einer Konfrontation mit Südkorea und den USA niemals gewachsen. Zwar hat sich das Land nach drei Atombombentests, zuletzt im Februar, de facto in die Liga der Atomstaaten eingereiht, aber bisher verfügt Nordkorea weder über einsatzfähige Sprengköpfe noch über geeignete Trägerraketen, um den angedrohten Erstschlag auf die USA auszuführen. Realer ist allerdings die Gefahr einer „dirty bomb“, bei der eine herkömmliche Granate mit radioaktivem Material angereichert wird, um die beschossene Gegend zu verstrahlen, oder der Einsatz von chemischen Kampfstoffen. „Ein solcher Angriff wäre für das Regime in Pjöngjang jedoch politischer Selbstmord“, sagt der Diplomat. Das letzte Mal, dass Nordkorea seinen Drohungen tatsächlich Taten folgen ließ, war im Jahr 2010. Damals versenkte im März ein Torpedo das südkoreanische Militärschiff Cheonan. 46 Besatzungsmitglieder wurden getötet. Pjöngjang streitet den Abschuss allerdings bis heute ab. Acht Monate später nahm Nordkorea die südkoreanische Insel Yeonpyeong unter Beschuss, wobei vier Menschen starben.

Die desolate Lage des eigenen Landes wird verschleiert

Zwar fürchtet man in Seoul, dass die Zuspitzung auch neue Akte von Gewalt nach sich ziehen könnte, aber gleichzeitig wissen die Südkoreaner, dass Pjöngjangs Drohungen oft für die eigene Bevölkerung gedacht sind: Nordkoreas offizielle Propaganda schürt Ängste vor einem Angriff imperialistischer Kräfte, um so die desolate Lage des isolierten Landes zu verschleiern.