Tragödie in Norwegen: Mindestens 84 Jugendliche sterben bei einem Massaker auf der kleinen Ferieninsel Utøya, sieben Menschen durch eine Bombe in Oslo.

Oslo - Norwegens Ministerpräsident Jens Stoltenberg hat die Anschläge mit mindestens 91 Toten als "nationale Tragödie" eingestuft. Am Samstagmorgen sagte der Regierungschef in Oslo weiter: "Seit dem Zweiten Weltkrieg haben wir in unserem Land keine schlimmere Katastrophe erlebt." Die Tat sei "unbegreiflich".

 

Stoltenberg bestätigte, dass er am heutigen Samstag eigentlich plangemäß das Sommerlager der sozialdemokratischen Jugendorganisation AUF hatte besuchen wollen. Dort hat ein wahrscheinlich allein handelnder Attentäter in Polizei-Uniform am frühen Freitagabend mindestens 80 Jugendliche getötet. Zuvor waren bei einer Explosion im Zentrum Oslos sieben Menschen gestorben.

Regierungschef Stoltenberg bleibt unverletzt

Nach Angaben der Polizei hingen beide Attacken miteinander zusammen. Die Wucht der Detonation im Zentrum Oslos verwüstete mehrere Gebäude, darunter den Sitz von Ministerpräsident Jens Stoltenberg. Der Regierungschef wurde jedoch nicht verletzt. "Die Situation ist sehr ernst", sagte der 52-jährige Sozialdemokrat in einem TV-Interview - aus Sicherheitsgründen wurde sein Aufenthaltsort geheim gehalten. Bislang war Norwegen von Terroranschlägen verschont geblieben.

Wenige Stunden nach dem Attentat in Oslo kam es zu dem Blutbad auf der Insel Utøya, die in einem See nahe der Hauptstadt liegt. Bei dem fünftägigen Camp sollte auch Ministerpräsident Stoltenberg einen Gastauftritt haben. Laut Stoltenberg waren auch alle anderen Regierungsmitglieder wohlauf. Er kündigte eine Krisentreffen des Kabinetts an.

Polizei fasst Tatverdächtigen

Ob es sich bei dem auf der Insel Festgenommenen um einen Norweger handelte, wollten die Ermittler nicht sagen. Der Mann ist nach Medienberichten identifiziert, er wurde verhört und soll vor den Schüssen auf der Insel in Oslo gesehen worden sein. Es sei noch nicht sicher, welche Waffen er benutzt oder ob er bei den Anschlägen alleine gehandelt habe, sagte Polizist Sverre Sponheim der Nachrichtenagentur NTB.

Die Lage in dem von 560 Mitgliedern der sozialdemokratischen Jugendorganisation AUF besuchten Lager war zuvor als "chaotisch" beschrieben worden. Polizisten einer Anti-Terror-Einheit mit schusssicheren Westen eilten zum Tatort. Laut Medienberichten brach unter den Jugendlichen in dem Lager Panik aus. Mehrere Mädchen und Jungen seien von der Insel aus ins Wasser gesprungen und an Land geschwommen. Die Insel ist rund eine Autostunde von Oslo entfernt.

Einige Augenzeugen sprachen von einer Autobombe in Oslo, andere von mehreren Explosionen. Die Ermittler bestätigten jedoch lediglich, dass es sich um einen Sprengsatz gehandelt habe, berichtete die Nachrichtenagentur NTB. Auch die Zentrale der Boulevardzeitung "VG" wurde durch die Explosion teilweise zerstört und dann evakuiert.

"Wir werden alle verfügbaren Kräfte einsetzen"

Ministerpräsident Stoltenberg kündigte eine entschlossene Reaktion der Behörden an. "Wir werden alle verfügbaren Kräfte einsetzen, um uns zu schützen", sagte der Regierungschef am Abend im Fernsehen.

Bundeskanzlerin Merkel zeigte sich erschüttert: "Mit Entsetzen habe ich von dem schweren Anschlag im Regierungsviertel von Oslo erfahren", hieß es in einer in Berlin veröffentlichten Erklärung. "Die Hintergründe dieser menschenverachtenden Tat sind zu diesem Zeitpunkt noch unklar. Klar ist, dass wir alle, die an Demokratie und friedliches Zusammenleben glauben, solchen Terrorismus, womit auch immer er begründet wird, scharf verurteilen müssen."

US-Präsident Obama rief zu einer stärkeren Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terror auf. "Es ist eine Mahnung, dass die gesamte internationale Gemeinschaft dazu beitragen muss, dass solch ein Terrorakt nicht passiert", sagte Obama in Washington.

Zahlreiche Gebäude in Oslo evakuiert

In Oslo wurde der Hauptbahnhof geräumt. Auch zwei Einkaufszentren sowie die Büros der Medien "VG", "NTB", "Aftenposten" und der Fernsehsender "TV2" seien evakuiert worden. Dort sei eine verdächtige Tasche gefunden worden. Die Polizei rief auch dazu auf, die Mobiltelefone nicht zu benutzen, weil das Netz überlastet sei.

"Die Leute stehen unter Schock, viele wurden ins Krankenhaus gebracht", sagte der Organist des Osloer Doms, Magne Draagen, der Nachrichtenagentur dpa.

Die Zeitung "Dagbladet" berichtete online, die Ermittler gingen davon aus, dass das Öl- und Energieministerium (OED) das Ziel des Attentats gewesen sei. "Es sieht aus, als ob es direkt vor unseren Büros passierte", sagt Håkon Smith-Isaksen vom OED.

"Wir glaubten, es sei ein Erdbeben"

Gegen 15.30 Uhr hatte ein großer Knall die Bürger Oslos aufgeschreckt. "Das ganze Gebäude wurde erschüttert, wir glaubten, es sei ein Erdbeben", sagte ein NRK-Reporter, der sich neben dem 17 Stockwerke hohen Regierungsgebäude befand. Das Fernsehen zeigte Bilder von einer völlig zerstörten Hausfassade, aus der Rauch aufstieg. Der Boden war mit Glassplittern zerstörter Fensterscheiben und Trümmerteilen übersät.

Mitarbeiter der Tageszeitung "Aftenposten" berichteten von Opfern, die blutend auf der Straße lagen. Bilder der NRK-Homepage zeigten, wie sich Sanitäter um Verletzte auf dem Bürgersteig kümmerten. Rettungskräfte brachten eine Frau in Sicherheit, deren blondes Haar blutverschmiert war. Passanten beugten sich über Verletzte und leisteten ebenfalls Erste Hilfe.

Über den Kurznachrichtendienst Twitter verbreiten sich Bilder und Videos, die das Ausmaß der Explosion zeigen.

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