Die Königskrabben vo Norwegen sind Leibspeise russischer Generale. Doch warum ist das so?

Rems-Murr: Sascha Schmierer (sas)

Nervenkitzel und Naturerlebnis: Bei einer Königskrabben-Safari vor Norwegen lässt sich entdecken, weshalb ein Unterwasser-Monster zur Leibspeise russischer Generäle wurde.

 

Die Königskrabbe gilt als Delikatesse. In Deutschland wird das blassrosa Fleisch der Meerestiere zu Preisen von 70 bis 90 Euro pro Kilogramm gehandelt. Feinschmecker legen im Restaurant für ein paar Häppchen mitunter auch dreistellige Beträge auf den Tisch. Man kann die monströsen Tierchen aber auch selbst aus dem Wasser ziehen – bei einer Königskrabben-Safari im Eismeer.

Am nördlichsten Zipfel von Europa, ein paar Kilometer vor dem Nordkap-Felsen, bietet Daniel Myhre den ultimativen Kick: Im offenen Schlauchboot geht es zu den Fangkörben weit vor der norwegischen Küste. Wer einen Tauchschein hat, kann sich in einen Neoprenanzug zwängen und gemeinsam mit dem Guide unter Wasser gehen. Die meisten Touristen begnügen sich allerdings damit, aus sicherem Abstand zu beobachten, wie die riesigen Meerestiere an die Oberfläche geholt werden. "Ein Zuschnappen der Scheren reicht, um menschliche Finger abzutrennen", weiß die für den Fremdenverkehr in der Finnmark verantwortliche Elisabeth Holsether. Wer die beeindruckende Spannweite der Monsterkrabben gesehen hat – erwachsene Tiere erreichen ein Gewicht von 15 Kilo und haben zwei Meter lange Fangarme – zweifelt kaum am Wahrheitsgehalt ihrer Worte.

Rund um Honningsvag, der nördlichsten Stadt Europas, haben mehrere Veranstalter eine Königskrabben-Safari im Angebot. Im Sommer geht’s im Schlauchboot aufs Meer, im Winter lockt der vereiste Fjord zu einer Krabbentour per Motorschlitten. Nach so viel Nervenkitzel und Naturerlebnis hat man sich die Gaumenfreuden verdient – mit den frisch gefangenen Krabben gibt’s ein rustikales Festmahl im Lavvo, dem mit Rentierfellen ausgelegten Zelt der samischen Ureinwohner.

Im Gegensatz zum Hummer wird die Königskrabbe nicht bei lebendigem Leib in kochendes Wasser geworfen. Ein Stich mit dem Sägemesser durch den Kopf macht dem Giganten den Garaus. Das saftige Fleisch steckt in den Scheren und den Beinen, der Panzer des Ungetüms ist weitgehend hohl. "Die Königskrabbe ist keine Schönheit – aber sie schmeckt exquisit", sagt Runar, der Koch. Die norwegischen Fischer sind auf die Königskrabbe allerdings nicht gut zu sprechen. Die Touristenattraktion ist Fluch und Segen zugleich. Zwar lassen sich mit lebend an die Gourmet-Restaurants gelieferten Tieren stattliche Preise erzielen. Doch ihre explosionsartige Vermehrung hat die UnterwasserGiganten längst zur Plage gemacht. "Stalin-Krabbe" wird das Schalentier von Einheimischen verächtlich genannt. Der Hintergrund: Paralithodes camtschaticus stammt eigentlich aus dem Pazifik. Im Jahr 1961 ließ die Sowjetunion 3000 vor der Küste Alaskas gefangene Königskrabbben per Güterzug nach Murmansk transportieren. Das eiweißreiche Fleisch der Krustentiere sollte die Ernährung der russischen Bevölkerung verbessern, hieß die offizielle Begründung des Kremls für die beispiellose Aktion. Der Legende nach lag den Mächtigen in Moskau aber mehr am schnelleren Lieferweg für ihre Leibspeise.

Als Problem erwies sich, dass die Königskrabbe nicht in Murmansk blieb, sondern im Laufe der Jahre mehr als 1000 Kilometer an Norwegens Nordküste wanderte. Weil natürliche Feinde fehlen und ein Weibchen jährlich bis zu 40000 Eier legt, grasen heute Heerscharen von Königskrabben den Meeresgrund ab – und fressen vom Seestern bis zum Fischlaich alles, was ihnen in die Greifzangen kommt. Obwohl die geschätzten 15 Millionen Monsterkrabben vor der Küste die Tierwelt bedrohen, dürfen die Fischer jährlich nur 300000 Königskrabben aus dem Wasser holen – mit dem Fanglimit hält die Regierung in Oslo nicht zuletzt den Marktpreis hoch.

"Ich glaube nicht, dass sich die Königskrabbe noch stoppen lässt", berichtet Daniel Myhre, als er unsere frisch gefangenen Exemplare in einen über dem Feuer hängenden Topf mit Meerwasser kippt. So spektakulär der Fang, so schlicht ist die Zubereitung der Ungetüme. Eine gute Viertelstunde müssen die Krabbenbeine in dem Sud ziehen. Wer mag, nimmt ein Stückchen Zitrone zum angenehm süßlich schmeckenden Fleisch. Ansonsten reichen frisches Brot und ein Schluck Weißwein fürs lukullische Erlebnis. "Die Gefahr ist, dass Sie andere Meeresfrüchte langweilig finden, wenn Sie mal von der Königskrabbe gekostet haben", sagt Elisabeth Holsether. Irgendwie hat sie recht.

Norwegens Finnmark

Anreise
Die Flugplätze in der Finnmark werden von der SAS und den Gesellschaften Wideroe und Norwegian bedient. Neben den meist von Oslo aus angeflogenen Regionalflughäfen in Alta und Kirkenes gibt es Landebahnen in Honningsvag oder Lakselv. Die Busgesellschaft Veolia Transport fährt fast jeden Winkel der mit nicht einmal zwei Einwohnern pro Quadratkilometer äußerst dünn besiedelten Region an. Auch die Schiffe der Hurtigruten-Linie machen in elf Häfen an der norwegischen Nordküste fest – unter anderem auch in Honningsvag. Mit Auto, Motorrad und Wohnmobil ist das Nordkap über die E96 ebenfalls erreichbar – von Stuttgart aus sind es allerdings schon auf der kürzesten Strecke 3340 Kilometer.

Unterkunft und Verpflegung
Dass Alkohol in Skandinavien ein teures Vergnügen ist, dürfte sich herumgesprochen haben – ein Bier kostet etwa acht Euro. Auch in Restaurants und Hotels hat Norwegen ein beachtliches Preisniveau: Für ein Doppelzimmer in Honningsvag, www.rica.no, muss man im Sommer mit 100 Euro pro Person rechnen. Gegrillter Lachs als Hauptgericht schlägt mit 30Euro, ein Stück Rentierfilet mit 45 Euro zu Buche.

Aktivitäten
Die Teilnahme an der Königskrabben-Safari gibt es in Honningsvag ab 120 Euro, Kinder bis elf Jahre zahlen die Hälfte, www.71-nord.no. In Kirkenes oder im Fischerdorf Mehamn gibt es weitere Anbieter, www.arctic-adventure.no, www.nordicsafari.no.

Auskunft
Der Tourismusverband für die Finnmark ist im Internet unter www.visitnorthernnorway.com erreichbar.