Der Oberstenfelder Arzt Manfred Frenzel ist selbst jahrelang als Notarzt unterwegs gewesen, jetzt leitet er den Notarztstandort Bottwartal. Er erzählt, wie er die vergangenen Monate der Coronapandemie in der Region erlebt hat.

Nachrichtenzentrale : Lukas Jenkner (loj)

Oberstenfeld - Nachdem Mitte März innerhalb weniger Tage ganz Deutschland in den Lockdown gegangen war, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen, hat auch der Oberstenfelder Allgemeinarzt Dr. Manfred Frenzel turbulente Wochen gehabt. Im Interview erzählt er, wie er die Konfrontation mit den Auswirkungen des Coronavirus erlebt hat – und selbst tagelang mit der Angst leben musste, dass das Virus seine eigene Familie erreicht haben könnte.

 

Herr Dr. Frenzel, wann ist Ihnen klar geworden, dass das Coronavirus auch Ihren Arbeitsalltag unmittelbar betreffen wird?

Das war Ende Januar, als die ersten Fälle in Deutschland auftauchten. Da habe ich noch aus dem Urlaub heraus Mund-Nase-Masken für die Praxis bestellt, damals 50 Stück für 2,70 Euro. Die kosten heute ein Vielfaches.

Wie haben Sie dann den Lockdown Deutschlands Mitte März erlebt?

Aus Angst vor der Ansteckung kam ja auf einmal niemand mehr zum Arzt. Deshalb haben wir für den Medizinischen Verbund Bottwar, zu dem wir mit insgesamt sechs Hausarztpraxen gehören, in einem Container eine spezielle Sprechstunde für Corona-Verdachtspatienten eingerichtet. Da überlagerten sich eine Weile noch die Corona- mit den Influenzafällen, aber die ebbten dann ab. Corona blieb allerdings.

Das heißt, sie hatten viele Notfälle mit Patienten mit Coronavirus?

Die Frage lässt sich nicht eindeutig beantworten, weil der Test oft erst später gemacht wurde. Aber die Zahl der Patienten mit entsprechenden Symptomen war schon signifikant höher. Und auch die Tests in unserer Containerpraxis haben das gezeigt.

Sie selbst sind verschont geblieben.

Ja, allerdings hatte ich ein langes Wochenende, an dem ich befürchten musste, mich angesteckt zu haben. Meine Tochter war Christi Himmelfahrt aus München zu Besuch, und mehr aus Spaß habe ich mit ihr den schnellen Antikörpertest gemacht, um ihr den mal zu zeigen. Als der Test dann positiv war, waren wir erst einmal baff. Sie ist dann nach München zurück, hat so wie ich Kontakte vermieden und sich konkret testen lassen. Das negative Ergebnis lag dann aber erst den Montag drauf vor. Das waren lange Stunden.

Auch sonst blieb die große Katastrophe in Deutschland aus.

Das ist der Erfolg des schnellen und konsequenten Lockdowns, der in Deutschland vollzogen wurde. Dadurch konnten die echten Krankheitsfälle gut behandelt werden und das Gesundheitssystem wurde nicht durch eine Vielzahl von Fällen überfordert wie zum Beispiel in Italien. Der Lockdown war richtig und erfolgreich.

Das führt nun paradoxerweise zu der Diskussion, ob Deutschland nicht überreagiert hat und viele Maßnahmen überzogen waren.

Sicher ist die Diskussion berechtigt, ob Maßnahmen im Einzelnen angemessen war, aber dass die Politiker im Sinne der Gesundheit aller Menschen schnell und konsequent handeln mussten, steht für mich außer Frage. Es ist einfache eine dynamische Lage mit einer neuartigen Virenerkrankung, wo neue Erkenntnisse erst nach und nach dazu kommen und frühere Entscheidungen im Nachhinein revidiert werden müssen oder in einem neuen Licht erscheinen.

Zum Beispiel?

Zum Beispiel die Schutzmasken. Anfänglich hieß es, die bringen nichts und würden die Menschen in trügerische Sicherheit wiegen. Aber zu Beginn der Krise gab es zum einen noch nicht genügend, zum anderen hat sich nun eben herausgestellt, wenn alle konsequent Masken tragen, gibt es doch einen Schutz in Bereichen, wo viele Menschen aufeinander treffen.

Manche gehen so weit zu sagen, dass das Coronavirus gar nicht so gefährlich ist.

Wir können uns in Deutschland auf die Schultern klopfen, dass wir es bisher so gut hinbekommen haben. Wenn man sich die Bilder in Erinnerung ruft, wie schwerkranke Menschen in italienschen Krankenhäusern auf den Gängen lagen oder wie in anderen Ländern reihenweise Gräber ausgehoben werden müssen, dann wird klar: Wo das Coronavirus sich unkontrolliert ausbreitet, herrscht ein elendes, massenweises Sterben.