Irene Rieve, Ausbilderin im Arbeitskreis Notfalldarstellung beim DRK Kreisverband Rems-Murr, und ihr Team von der Schmink- und Mimtruppe zeigen, wie man mit Hilfe von Filmblut, Dermawachs, Babybrei oder Brause aus unversehrten Menschen bemitleidenswerte Opfer macht.
Der Daumennagel von Irene Rieve steht nach oben ab und blutet heftig. Allein der abstoßende Anblick löst bei zartbesaiteten Gemütern Unwohlsein aus. Doch Irene Rieve, die eigentlich vor Schmerzen schreien müsste, grinst nur. „Es sieht eklig aus, und genau das ist Sinn und Zweck der Übung“, sagt die Ausbilderin im Arbeitskreis Notfalldarstellung beim Kreisverband Rems-Murr des Deutschen Rotes Kreuzes, die sich das Nageltrauma eigenhändig angetan hat. „Die Verletzungen sollen so realistisch wie möglich aussehen, um die Übenden anzustacheln.“
Am Samstag haben Irene Rieve und ihr Team zum ersten Kennenlerntag eingeladen. An der Kopfseite des Lehrsaals im DRK-Kreiszentrum in Waiblingen ist das ganze Equipment aufgebaut, das sie bei ihren Einsätzen benötigen. Kanister mit Filmblut, „Vampire Blood“ steht darauf, Plastikknochen, um offene Brüche zu simulieren oder ein T-Shirt mit Armstumpf gehören dazu.
Je wirklichkeitsgetreuer die Darstellung, umso höher der Übungswert
Die schauerliche „Spielausrüstung“, wie Irene Rieve das umfangreiche Material nennt, würde auch für einen Horrorfilm taugen. Doch die Spezialisten hier schminken nicht für die Kinoleinwand, sondern um gestellte Notfallszenarien echt wirken zu lassen. Übungen der Blaulichtfraktionen wären schließlich kaum realistisch ohne Freiwillige, die sich als „echte“ Opfer zur Verfügung stellen und diejenigen, die mit Schminke und Können aus ihnen Schwerverletzte machen. „Ich nenne meine Leute spaßeshalber immer Laienspielgruppe“, sagt Irene Rieve. Der Anblick der Verletzten soll bei den Helferinnen und Helfern den Adrenalinspiegel steigen lassen. Denn je wirklichkeitsgetreuer die Darstellung, umso höher sei der Übungswert, so die Chefin der Schmink- und Mimtruppe des DRK.
Der Arbeitskreis hat 15 Mitglieder. Rund die Hälfte davon schminke, die andere Hälfte spiele die Verletzten, sagt Irene Rieve, die unzählige Tricks und Tipps kennt, wie wirklichkeitsnahe Wunden, Verletzungen und Notfälle simuliert werden können. Profi- Blutkapseln zum Zerkauen braucht sie dafür nicht unbedingt. „Wenn jemand aus dem Mund bluten soll, nehmen wir rote Brause, Himbeer oder Erdbeere. Mit Spucke vermischt sieht das genauso aus, ist aber billiger, und man darf es schlucken.“ Falls bei schweren Verletzungen allerdings richtig viel Blut fließen soll, greifen Irene Rieve und ihr Team zu literweise Filmblut, das mit Kanülen und Schläuchen gerne auch lebensecht nachgepumpt wird. Für täuschend echt Erbrochenes hat die Fachfrau wieder ein einfaches Rezept. „Wir nehmen Babybrei, das sieht aus wie schon mal gegessen.“ Wenn noch ein paar „Stückle“ darin sein sollen, wird eine Handvoll Müsli daruntergemischt.
Eines der professionellen Wundermittel, mit dem auf eigentlich unversehrten Körpern tiefe Wunden geformt werden, ist Dermawachs. Mit der hautfarbenen Masse und mit einem kleinen Spachtel hat sich Irene Rieve den abgerissenen Daumennagel hinmodelliert. Auch die Schnittwunde am Zeigefinger von Heidi Schatz ist aus demselben Wachs gemacht. „Wunden schminken ist aufwendig, aber es ist natürlich auch Übungssache“, sagt sie und streckt ihren aufgerissenen und blutenden Finger in die Höhe.
Brandblasen werden aus Gelatineplatten gemacht
Für blaue Flecken genüge einfache Theaterschminke, erzählt Irene Rieve. „Man nimmt zwei verschiedene Rottöne, ein bisschen Blau und Lila. Dann mischt man so lange, bis die Farbe passt.“ Die große Brandwunde, die sie ihrer Tochter Karolin auf den rechten Unterarm schminkt, ist aufwendiger. Als erstes trägt sie die rote Grundierung mit Fettfarbe „für den Tiefeneffekt“ auf. Die Brandblasen macht Irene Rieve aus Gelatineplatten, die sie mit dem Feuerzeug erhitzt hat, bis sie Bläschen schlagen. Das Ergebnis sieht schockierend echt aus, und die Chefin der „DRK-Laienspielgruppe“ ist mit ihrem Werk zufrieden. „Es hilft durchaus, wenn man ein bisschen makaber veranlagt ist“, sagt sie mit einem Augenzwinkern.
Zufrieden ist Irene Rieve auch mit dem Verlauf des ersten Kennenlerntags. „Es war ein Versuch, den wir wiederholen werden, auch wenn fast alle Interessierten mit dem Rot-Kreuz zu tun haben.“ So auch die Gruppe vom DRK Sulzbach-Murr am Tisch nebenan, die gerade versuchen, einen präparierten Nagel möglichst realistisch in eine Handfläche zu modellieren.