Um deutsche Schlüsselunternehmen vor der ausländischen Konkurrenz zu schützen, denkt Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier an Verstaatlichungen auf Zeit – allerdings nur in Ausnahmefällen.

Berlin - Um zu verhindern, dass Deutschland und Europa mittelfristig zur verlängerten Werkbank von global agierenden Konzernen aus den USA und China werden, setzt Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) im Notfall auf temporäre Verstaatlichungen. Damit sollen feindliche Übernahmen verhindert und große Unternehmen in Schlüsselbranchen vor der wachsenden ausländischen Konkurrenz geschützt werden. Das erklärte der Wirtschaftsminister bei der Vorstellung einer Industriestrategie für die kommenden zwölf Jahre in Berlin.

 

Wenn die weißen Ritter aus der Wirtschaft fehlen

Um in solchen Extremsituationen handlungsfähig zu sein, will Altmaier einen staatlichen Beteiligungsfonds auflegen, aus dem in eng begrenzten Ausnahmesituationen öffentliche Unternehmensbeteiligungen finanziert werden können. Dies solle nur geschehen, wenn es der Wirtschaft nicht aus eigener Kraft gelinge, einen „weißen Ritter“ zur Verhinderung einer feindlichen Übernahme aus eigener Kraft aufzubieten, und wenn technologische Schlüsselkompetenzen für die deutsche Volkswirtschaft verloren zu gehen drohten.

„Heute stellt sich die grundlegende Frage, ob wir den Wohlstand, der in siebzig Jahren gewachsen ist, auf Dauer bewahren können“, betonte Altmaier. Dies werde nur gelingen, wenn Europa gemeinsam mit Deutschland auf Augenhöhe mit den USA und China agieren könne. Die Fähigkeit dazu sieht Altmaier im Schwinden begriffen. Als einen Standortnachteil identifizierte er, dass den hiesigen Unternehmen im Vergleich mit der Konkurrenz häufig die kritische Größe fehle, um Projekte im globalen Maßstab umzusetzen. Als Beispiele nannte er die Modernisierung von Eisenbahnsystemen und internationale Internetplattformen. Deshalb schlägt der CDU-Minister vor, die Fusionskontrolle in Europa weniger an nationalen und regionalen Märkten und stärker am Weltmarkt zu orientieren. Nachholbedarf sieht der Wirtschaftsminister bei der konkreten Umsetzung von Forschungsergebnissen bei Künstlicher Intelligenz. Aus seiner Sicht ist es zentral, den Anteil der Industrie an der Bruttowertschöpfung bis 2030 von jetzt 23 auf 25 Prozent in Deutschland und auf 20 Prozent in Europa zu erhöhen.

„Wirtschaftspolitik muss wieder ins Zentrum der politischen Debatte“

Weil es um den privaten, ökonomischen gesamtgesellschaftlichen Wohlstand geht, will Altmaier „die Wirtschaftspolitik wieder ins Zentrum der politischen Debatte stellen“. Mit seinem Vorstoß löste er kontroverse Reaktionen aus. Während seine Stuttgarter Ressortkollegin Nicole Hoffmeister-Kraut die Initiative als richtiges und wichtiges Signal lobte, erntete Altmaier bei der Opposition im Bundestag deutliche Kritik. Linken-Chef Bernd Riexinger warf dem Wirtschaftsminister Willfährigkeit vor Konzernen vor und forderte, Investitionen in strukturschwache Regionen zu lenken, vor allem Ostdeutschland und das Ruhrgebiet. Anton Hofreiter, Vorsitzender der grünen Bundestagsfraktion, warnte davor, Großunternehmen zu Megakonzernen aufzublasen, und forderte, stattdessen den Mittelstand in den Blick zu nehmen. Es gehe bei Altmaiers Vorschlägen „letztendlich um Planwirtschaft“, erklärte der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP, Reinhard Houben. Stattdessen müsse die Wirtschaft bei Steuern und Abgaben entlastet sowie von bürokratischen Hemmnissen befreit werden.

Parteifreunde erinnern Altmaier an ordnungspolitische Grundsätze

Joachim Lang, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), begrüßte das Gesamtkonzept und nannte die Vorschläge „diskussionswürdig“. Neue Beteiligungsinstrumente des Bundes sollten jedoch nicht zur Abwehr von Unternehmensübernahmen, sondern nur zur Förderung neuer Technologieprojekte genutzt werden können. Der BDI mahnt außerdem an, die Herausforderungen der Klima- und Energiepolitik nicht zu vernachlässigen.

Der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie, Bernd Mattes, kritisierte Altmaiers Strategie als „zu vage“ in den Themenbereichen Forschung, Entwicklung, Produktion und Innovation. Bitkom-Präsident Achim Berg fand lobende Worte für den Fokus auf Plattformen und Künstliche Intelligenz in Altmaiers Strategiepapier, bemängelte aber, dass Gründungstätigkeiten und Start-ups außen vor gelassen würden. Außerdem werde die Bedeutung von Daten kaum berücksichtigt.

Wolfgang Steiger, der Generalsekretär des Wirtschaftsrates der CDU, ermahnte Altmaier: „Im Sinne Ludwig Erhards sollte auch sein Nachfolger maßhalten bei staatlichen Eingriffen“, sagte er und forderte, die ordnungspolitischen Grundsätze zu beherzigen.