Am Samstag öffnet die neue Bereitschaftspraxis in der Klinik. Von 8 bis 22 Uhr ist künftig ein niedergelassener Arzt dort tätig, ein weiterer macht Hausbesuche bei Schwerkranken. Unter der Woche hat abends ein mobiler Mediziner Dienst.

Herrenberg - Wen am Wochenende Ohrenschmerzen, Bauchgrimmen oder Husten plagen, der musste bisher mühsam einen diensthabende Arzt ausfindig machen. Unter Umständen hatte dieser seine Praxis dann etliche Kilometer weiter entfernt, und der Weg dorthin musste zuvor noch ausgekundschaftet werden. Damit ist es jetzt vorbei. An diesem Samstag eröffnet in Herrenberg die zentrale Notfallpraxis. Angesiedelt ist sie im Herrenberger Krankenhaus. Von 8 bis 22 Uhr ist ein Arzt anwesend, ein weiterer macht Hausbesuche bei bettlägerigen Patienten.

 

Für den Klinikverbund Südwest, zu dem die Herrenberger Klinik gehört, bedeutet die Einrichtung der Praxis eine erhebliche Erleichterung. „Wir hatten bisher 25 000 Patienten pro Jahr, die sonntags in unserer Notfallambulanz gelandet sind“, berichtet Elke Frank, die Geschäftsführerin des Klinikverbunds. Patienten mit Schnupfen oder Blasenentzündung, denen der Weg zum diensthabenden Arzt zu weit war, sind aber kein Fall für die Klinikambulanz. Diese ist eigentlich nur Schwerkranken mit einem Herzinfarkt etwa, einem Schlaganfall oder Knochenbruch. „Wir dürfen aber auch andere Patienten nicht abweisen und behandeln sie natürlich, bekommen das aber von den Krankenkassen nicht vergütet“, erklärt Elke Frank das Dilemma.

Künftig ist das kein Problem mehr. Die Patienten werden bereits an der Pforte entweder in die Notfallpraxis oder in die Notfallambulanz der Klinik weitergeleitet. Sollte sich während einer Untersuchung in der Notfallpraxis herausstellen, dass ein Patient doch schwerer erkrankt ist, kann er gleich innerhalb der Klinik weiter behandelt werden. „Hier gibt es eine Röntgenabteilung und ein Labor für eine genaue Diagnostik“, nennt Jürgen Nüßle, einer der Notfallärzte, einen Vorteil des neuen Systems.

Mehr als 300 Ärzte im Pool

Mehr als 300 Ärzte aus dem gesamten Landkreis sind zum Notdienst verpflichtet. Sie leisten entweder in Sindelfingen, wo es bereits seit einem Jahr einen zentralen Bereitschaftdienst am Krankenhaus gibt, oder in Herrenberg Dienst. Je ein Arzt behandelt in der Klinikpraxis die Patienten, jeweils ein anderer macht Hausbesuche. Unter der Woche gibt es von 18 Uhr an in beiden Notdienstbezirken jeweils einen Mediziner, der Bereitschaft hat und in Notfällen die Patienten zu Hause besucht.

In Sindelfingen habe sich dieses System bewährt, sagt Jörg Gaiser, Allgemeinmediziner in Sindelfingen und verantwortlich für die Organisation des Bereitschaftsdienstes in mittleren Kreisgebiet. Im Januar ist der Verein, der bisher die Notdienste getragen hat, unter die Fittiche der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) gekrochen.

Diese setzt ihre am 1. Januar in Kraft getretene neue Satzung um. „In zwei Monaten haben wir dann flächendeckend alle Kreise im Land mit zentralen Notfallpraxen an Krankenhäusern ausgestattet“, sagt Kai Sonntag , der Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung. Lediglich im Kreis Tübingen wehren sich die niedergelassenen Ärzte bisher gegen eine Zentralisierung ihrer Wochenenddienste. Dort organisieren weiterhin mehrere Ärzte untereinander die Sonntagsbereitschaft.

„Wir haben bisher nur positive Rückmeldungen, sowohl von Ärzten als auch von Patienten“, so Sonntag. Zufrieden mit dem Konzept sind auch Mediziner in Sindelfingen. „Früher war ich als Ärztin unter der Woche rund um die Uhr im Dienst, hatte eine Präsenzpflicht. Jetzt kann ich abends ins Kino gehen.“, sagt die Allgemeinmedizinerin Annette Theewen, die eine Praxis in Sindelfingen betreibt. „Auch für die Nachwuchsgewinnung sei die neue Reglung ein Vorteil: Junge Ärzte wollen nicht mehr ständig Bereitschaft haben.“

Im Kreis Göppingen jedoch gibt es Proteste gegen die Finanzierung der zentralen Notfallpraxen. Dafür müssen alle Mitglieder – das sind alle Mediziner, die Kassenpatienten behandeln – Beiträge an die KVBW zahlen. Dies sei teurer als bisher, als ein Verein die Notfallpraxis organisierte, argumentieren die Göppinger.

„Ja, mit dem neuen System wird es teurer, aber auch gerechter, weil sich nun alle Ärzte finanziell an den Wochenenddiensten beteiligen müssen“, sagt der Sindelfinger Jörg Gaiser.