Der Notfalltag im Rathaus widmet sich unter anderem dem Sichtungssystem Triage. Damit sollen Ärzte und Sanitäter schnell herausfinden können, wer dringend zuerst behandelt werden muss.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Den leeren Pulli und die leere Hose, die am Boden liegen, muss niemand mehr checken: Kein Puls, keine Atmung. Im Ernstfall wäre für diesen Patienten die Rettung zu spät gekommen. Den Mimen der DLRG wird erspart, Tote zu spielen. Doch als Verletzte machen sie einen guten Job: Mit geschminkten klaffenden Wunden, rußverschmierten Gesichtern und röchelndem Atem tun sie so, als seien sie Opfer einer Explosion auf dem Marktplatz geworden, die sich ins Rathaus retten konnten. Das ist das Übungsszenario am Samstagmorgen für Notärzte und Rettungskräfte, die sich mit dem Sichtungssystem „m-STaRT“ vertraut machen. Die Übung findet im Rahmen des siebten Stuttgarter Notfalltags statt, bei dem im Rathaus Ärzte und Rettungskräfte tagen.

 

Die Abkürzung steht für modifiziertes Simple Triage and Rapid Treatment. Der Begriff und die Methode stammen aus Amerika und wurden auf hiesige Verhältnisse angepasst, erläutert der Oberarzt Joachim Pfefferkorn vom Klinikum Stuttgart. „Es geht darum, so schnell wie möglich bei einem Massenanfall von Verletzten herauszufinden, wer als erstes Hilfe braucht“, sagt er. Das sind die Schwerverletzten, bei denen jede Minute zählt, um ihr Leben zu retten.

Atmung, Reaktion und Puls sind wichtige Indikatoren

Der Notarzt Sebastian Allgäuer und der Informatiker Johannes Sautter sind ein Team, das die Methode einübt. „Hallo, können sie mich hören?“ spricht Sautter einen Mann an, der ohne äußerlich erkennbare Verletzungen auf dem Boden sitzt. Dann wird der Puls und die Atmung geprüft, auch die motorische Reaktion steht auf der Liste der zu überprüfenden Parameter: „Heben Sie bitte ihre Hand“, sagt Allgäuer, und der Patient reagiert. „Es gibt sehr viel Sicherheit für den Ernstfall“, sagt der Notarzt Allgäuer. „Auch als erfahrener Mediziner tendiert man dazu, aus dem Bauch heraus zu handeln und zu entscheiden, wenn es stressig wird“, sagt er. Oder man würde auch mehr machen, als bei der ersten Sichtung notwendig ist – und dadurch bei einem Zwischenfall mit etlichen Verletzten wichtige Zeit verlieren, die man für weitere Patienten brauche. Etwa eineinhalb Minuten soll die erste Kontrolle nach der „m-STaRT“-Methode dauern. Schwerverletzte bekommen eine rote Karte umgehängt, Verletzte eine gelbe und wer dableiben muss, um gecheckt zu werden, eine grüne.

Triage-Methode stammt von der amerikanischen Feuerwehr

Im Ernstfall müssten die Schwerverletzten nach einem Plan auf die großen Krankenhäuser verteilt werden, sechs bis acht könnte man in Stuttgart schnell unterbringen, sagt der Oberarzt Joachim Pfefferkorn. Täglich seien in Stuttgart fünf Notärzte im Dienst. Damit wenig Zeit verloren gehe, wenn weitere Kliniken im Umland hinzugezogen werden müssten, sei die Sichtung der Patienten wichtig. Der Begriff Triage aus dem Französischen, den die amerikanische Feuerwehr für das 1984 entwickelte System gewählt habe, sei anfangs in Deutschland unbeliebt gewesen, da er aus der Kriegsmedizin stamme. Allmählich würde das Wort aus dem Französischen, das Sichtung oder Sortierung bedeutet, in Deutschland Einzug halten, sagt Pfefferkorn, schließlich sei es international.

Mit der Sichtung der Verletzten ist es im Ernstfall nicht getan, das weiß Sebastian Allgäuer aus dem Alltag, auch wenn er glücklicherweise noch keinen Notfall wie die für die Übung angenommene Explosion auf dem Marktplatz mit vielen Verletzten erlebt hat: „Bei einem Stadtbahnunfall müssen wir uns nicht nur um die Autofahrer oder den Radfahrer kümmern, der beim Zusammenstoß schwer verletzt wurde. Es geht keiner der Passagiere, die bei der Gefahrenbremsung in der Bahn waren, ohne dass wir abgeklärt haben, ob es ihm gut geht“, erläutert der Notarzt.

Nicht nur das Triagekonzept beschäftigte die Fachleute am Samstag im Rathaus. Bei Vorträgen befassten sie sich mit diversen Aspekten des Rettungswesens. Weitere praktische Übungen befassten sich mit der Geburt im Krankenwagen. Für das Publikum auf dem Marktplatz war am Nachmittag eine große Rettungsübung angesetzt.