Ein Vertreter der SWSG soll vor dem Gremium Stellung nehmen zu den Beobachtungen der Beiräte. Diese bemängeln die Unterkünfte in Stuttgart-Birkach als mangelhaft und fordern einen Neubau. Die Stadt sieht aber keinen Handlungsbedarf.

Birkach - Als menschenunwürdig bezeichnet die FDP-Bezirksbeirätin Ingrid Tillmanns die Fürsorgeunterkünfte der Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft SWSG an der Erisdorfer Straße. Vertreter anderer Fraktionen sahen das bei der jüngsten Sitzung der Bezirksbeiräte ähnlich. „So kann man das nicht lassen“, sagte der stellvertretende Bezirksbeirat Joachim Kausch. Mit „das“ meint der Grünen-Bezirksbeirat drei Gebäude an der Erisdorfer Straße. In ihnen leben Menschen, die durch eine Zwangsräumung ihre Wohnung verloren haben.

 

Nicht nur Grüne und FDP, sondern auch die anderen Fraktionen im Bezirksbeirat waren sich in der Bezirksbeiratssitzung einig: Die SWSG soll einen Vertreter in eine der kommenden Sitzungen schicken, der Stellung nimmt zu den aus ihrer Sicht untragbaren Zuständen in den Unterkünften.

Neue Gebäude für die Bewohner

Bereits im Frühjahr vergangenes Jahr hatte der Bezirksbeirat einem FDP-Antrag zugestimmt, der sich für einen Abriss der Gebäude an der Erisdorfer Straße aussprach. Die Bewohner sollten in neu zu bauende Gebäude umziehen, forderten die Bezirksbeiräte damals.

Vereinbart wurde eine Vorortbegehung mit einem Vertreter der Stadt an der Erisdorfer Straße. Im Herbst vergangenen Jahres besuchten die Lokalpolitiker dann die Unterkunft. Der stellvertretende Grünen-Bezirksbeirat Joachim Kausch beschreibt die dabei gewonnnen Eindrücke: „Die Gebäude sind zum Teil baufällig. Es gibt tiefe Risse in den Wänden. Die Wohnungen werden mit Briketts geheizt und das bei der Feinstaubproblematik in der Stadt“, sagt Kausch.

Gute Stimmung im Stadtteil

Mit dabei bei der Ortsbegehung im Herbst war auch Mehmet Bozdemir von der Anwohner-Initiative Birkach Nord. Er bezeichnet die Unterkunft als wörtlich „heruntergekommen“ und plädiert gleichfalls für einen Neubau. Wichtig sei ihm, dass die Anwohner nach den Arbeiten wieder in die neuen Gebäude an der Erisdorfer Straße zurückkehren können. Die Stimmung zwischen Anwohnern und den Bewohnern der Unterkünfte sei auch dank des Einsatzes von Ehrenamtlichen entspannt. „Der Birkacher Norden verkraftet die Fürsorgeunterkünfte gut“, meint Bozdemir.

Die SWSG weist die Einschätzungen der Bezirksbeiräte und der Anwohner-Initiative als überzogen zurück. Zutreffend sei allerdings, dass die Wohnungen mit Einzelkohleöfen ausgestattet seien, teilt Peter Schwab, Sprecher der SWSG, in einer schriftlichen Stellungnahme mit. Bei der Bewertung der Unterkünfte müsse berücksichtigt werden, dass dies Notquartiere seien für Menschen, die kein anderes Obdach fänden. „Entsprechend der einfachen Ausstattung sind die Unterkünfte übrigens mit einem Nutzungsentgelt von vier Euro pro Quadratmeter auch besonders preiswert“, lässt Schwab wissen. Zudem würden die Bewohner maximal zwei Jahre in den Unterkünften wohnen, teilt er mit.

Hoffnung auf neue Wohnungen

Der Umstand, dass die Unterkünfte nicht als dauerhafte Bleibe gedacht sind, weckt bei der FDP-Bezirksbeirätin Ingrid Tillmanns die Erwartung, dass bei einem Neubau der Unterkünfte auch Platz für Mietwohnungen entstehen wird. Natürlich würden in neugebauten Gebäuden erst einmal diejenigen unterkommen, die jetzt dort leben, meint sie. „Aber von denen werden ja hoffentlich bald viele auch wieder auf dem Wohnungsmarkt etwas finden“, sagt sie. „Ich verstehe nicht, warum am Pallotti-Areal in der Nähe des Landschaftsschutzgebiets gebaut werden soll, wenn die Stadt an der Erisdorfer Straße eine Fläche hat“, sagt Tillmanns.

Rechtliche Bedenken

Kollegen aus anderen Fraktionen teilen allerdings die Hoffnung der FDP-Bezirksbeirätin nicht, dass ein Neubau im Birkacher Norden das umstrittene Bauvorhaben auf dem Pallotti-Areal überflüssig machen könnte. Joachim Kausch von den Grünen hält es für rechtlich nicht möglich, an der Stelle, auf der im Moment die Fürsorgeunterkünfte stehen, in die Höhe zu bauen. „Das Gebiet liegt zu nahe am Wald“, sagt er. Außerdem könne die Stadt die Kirche als privaten Investor auch nicht dazu zwingen, auf ein Wohnbauprojekt zu verzichten, nur weil sie selbst an anderer Stelle Wohnungen baut. „Da kann man genauso gut auf einen Sechser im Lotto warten“, sagt der Bezirksbeirat der Grünen.

Die Stadtverwaltung bestätigt die Sicht von Joachim Kausch. Der Abstand des Areals an der Erisdorfer Straße zum Waldrand betrage 30 Meter, und in einem solchen Fall gebe es strenge Auflagen, heißt es in einer Erklärung der Stadt.

Eine Sprecherin der Stadt meint allerdings, dass die SWSG auf mittlere Sicht einen Neubau erwägen könnte. „Die SWSG wird zu gegebener Zeit auf das Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung zugehen“, erklärt sie. Eilig hat es die Stadt mit einem Neubau auch trotz der Bedenken der Bezirksbeiräte nicht.