In Reichenbach ist ein Haus akut einsturzgefährdet. Drei Familien brauchen nun Ersatzwohnungen. Die Gemeinde startet einen Spendenaufruf.

Reichenbach - Innerhalb von nur vier Stunden haben drei Familien Hals über Kopf ihr Heim in der Reichenbacher Seestraße verlassen müssen. Das Haus mit den Eigentumswohnungen war akut einsturzgefährdet, es bestand Lebensgefahr. Laut einem Gutachten weist das Haus gravierende Baumängel auf. So sind praktisch von einem Tag auf den anderen die drei Familien mit jeweils zwei Kindern obdachlos geworden. Zwar sind alle Betroffenen inzwischen privat untergekommen. Doch dabei kann es sich nur um Zwischenlösungen handeln.

 

Die Kinder wollen zurück ins Haus in ihre Zimmer

Eine der Betroffenen, Monika Zobu, konnte mit ihrer Familie kurzfristig bei ihren Eltern einziehen. Zu sechst wohnt die Notgemeinschaft nun aber sehr beengt. Erschwerend komme hinzu, berichtet Monika Zobu, dass ihr Vater krank sei. „Es ist total schwierig“, erklärt die Reichenbacherin, gerade auch mit dem Schlafen. Die beiden Kinder gehen noch in den Kindergarten, das ältere wird im September eingeschult. „Die Kinder verstehen das nicht so richtig, und sie wollen zurück ins Haus in ihre Zimmer“, sagt die Mutter.

Auf die Schäden aufmerksam geworden sind die Eigenheimbesitzer Ende des vergangenen Jahres. Von außen zeigten sich Risse an der Fassade, und Fenster ließen sich teilweise nicht mehr richtig schließen. Daraufhin wurde ein Gutachten erstellt. Die Experten kamen zu dem Schluss, dass das Haus einsturzgefährdet ist. Das Gutachten ging auch an das Landratsamt Esslingen, das aus Sicherheitsgründen die Evakuierung anordnete.

An eine Rückkehr in das Haus ist derzeit nicht zu denken

Dejan Pacalos hat mit seiner Familie das marode Gebäude ebenfalls verlassen müssen. Er schildert, wie er während der Arbeit plötzlich einen Anruf erhielt. Binnen vier Stunden müsse auf polizeiliche Anordnung hin das Haus geräumt sein. Seine Frau habe dann die Kinder gerufen, sei in den Keller gegangen und habe Umzugskartons gepackt.

Das Haus ist inzwischen mit Stützen so gesichert, dass die Standfestigkeit gewährleistet ist. Dejan Pacalos klopft gegen die Fassade, die Wände klingen hohl. Die Steinanalyse habe ergeben, so der Reichenbacher, dass sich der verwendete Porenbetonstein auflöst. Tragende Wände seien angegriffen. An eine Rückkehr in das Haus ist derzeit nicht zu denken.

Raten- und Mietzahlungen stellen doppelte Belastung dar

Zwar befindet sich der Wohnraum in Privateigentum. Dennoch sieht sich die Gemeinde Reichenbach angesichts der misslichen Lage der drei vierköpfigen Familien in einer moralischen Verantwortung. Im Amtsblatt erscheint jetzt ein Hilfeaufruf. „Da derzeit nicht klar ist, in welcher Form die Sanierung des Gebäudes erfolgt und wie viel Zeit dies beansprucht, suchen die Familien derzeit adäquate Mietwohnungen, um diese Zeit zu überbrücken.“ Das Rathaus appelliert an Vermieter, sich mit entsprechenden Angeboten zu melden, die Gemeindeverwaltung werde Offerten an die betroffenen Familien weitergeben.

Doch selbst wenn die Wohnungssuche in Reichenbach oder der näheren Umgebung erfolgreich sein sollte, so gibt es dennoch ein weiteres Problem: Die Familien müssen die monatlichen Raten für ihre Eigentumswohnungen zahlen. Wenn dann aber noch zusätzlich monatliche Mietzahlungen obendrauf kommen, wird es finanziell schnell eng. Die Gemeinde Reichenbach hat deshalb bei der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen ein Spendenkonto mit dem Kennwort „Familienspenden August 2019“ eingerichtet. Die Spenden werden dann den Familien in ihrer schwierigen Situation weitergeleitet.

Bauträger weist den Schwarzen Peter zurück

„Wir versuchen alles Mögliche, um den Leuten zu helfen“, sagt Bernhard Richter. Der Reichenbacher Bürgermeister spart gleichzeitig nicht mit Kritik am Bauträger des einsturzgefährdeten Hauses. Das Unternehmen aus der Region habe sich nach seinem Kenntnisstand „weggeduckt“ und lasse die Familien im Regen stehen.

Der Bauträger, der namentlich nicht genannt werden möchte, lehnt es indessen ab, „den Schwarzen Peter zugeschoben zu bekommen“. Er habe damals nach bestem Wissen und Gewissen Baumaterial mit Zulassungsbescheid gekauft. „Da geht man davon aus, dass das Material auch das hält, was es verspricht.“ Dass nun offenbar der verbaute Porenbeton-Mauerstein die Druckspannung nicht mehr habe, sei nicht sein Verschulden. Juristisch sei dieser Fall noch nicht einschätzbar. Das Drama um die Familien „tut uns auch sehr leid“, sagt der Chef des Bauträgers. Er sei bestrebt, „eine Lösung zu finden“.

Er hoffe, sagt Bürgermeister Bernhard Richter, dass die Familien nun schnell Ersatzwohnraum finden. Denn wenn dann nach den Sommerferien die Schule wieder beginnt, würde die Situation noch belastender, als sie ohnehin schon ist.

14 Häuser müssen nach Hangrutsch evakuiert werden

Unglück
Immer wieder müssen Häuser evakuiert werden, damit bei Gefährdungen die Bewohner in Sicherheit sind. Spektakulär war ein Hangrutsch nach starken Regenfällen am 8. Juni 2016 in Nürtingen-Zizishausen. In der Panoramastraße mussten 14 Häuser evakuiert werden. Betroffen waren 35 Menschen.

Schäden
Bei dem Hangrutsch war die Terrasse eines sich im Bau befindlichen Hauses mit abgegangen. Auch Nachbarn klagten über Folgeschäden an ihren Häusern. Sie machten den Bauherrn des Neubaus für die Schäden verantwortlich, der nach ihrer Überzeugung an dieser Stelle so niemals hätte bauen dürfen.

Streit
Der Bauherr wies die Verantwortung von sich. Die Staatsanwaltschaft sah nach Abschluss der Ermittlungen den Bauherrn und den Bauleiter aber in der Pflicht. An sie ergingen Strafbefehle. Der Bauherr wurde angewiesen, Schadenswiedergutmachung zu leisten. Die Beschuldigten legten Widerspruch ein.