Ein halbes Jahr mussten sich 100 Flüchtlinge mit der Alfred-Wais-Halle als Unterkunft in Birkach arrangieren. Weil der Strom an Schutzsuchenden mittlerweile übersichtlicher geworden ist, sind die Birkacher Flüchtlinge nun nach Stammheim gezogen.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Birkach - Eisen schlägt auf Eisen. Vor der Alfred-Wais-Halle in Birkach wächst der Berg mit den schwarzen Metallstangen. Bis vor Kurzem waren sie noch zu Betten zusammengesteckt. Es waren die Betten der Flüchtlinge, die sich seit Spätherbst 2015 mit der Alfred-Wais-Halle als Unterschlupf arrangieren mussten. Vor lauter Andrang von Schutzsuchenden ist den Städten, und damit auch Stuttgart, der Platz ausgegangen, Turnhallen und Waldheime wurden flugs in Flüchtlingsunterkünfte umfunktioniert.

 

Allemal komfortabler als eine Turnhalle

Am vergangenen Donnerstagnachmittag sind die 99 Menschen, die in der Halle an der Grüninger Straße untergebracht waren, ausgezogen. Mit Bus und Bahn sind sie an die Kameralamtstraße in Stammheim gefahren, ihr persönliches Hab und Gut haben Spediteure geliefert, wie Marco-Oliver Luz vom Sozialamt sagt. In der Regelunterkunft, wie die Stadt sie bezeichnet, wird es ebenfalls bescheiden zugehen, doch komfortabler als in einer Turnhalle dürfte es allemal sein. „Wohnungsähnlicher“ nennt es Luz. 13 Quadratmeter waren die Nischen in der Sporthalle groß, abgetrennt mit Bauzäunen und ausgelegt für sechs Personen.

Die schwarzen Mobiliarstangen, die sich am Freitagvormittag vor der Alfred-Wais-Halle stapeln, haben in Birkach ausgedient. Ein Umzugswagen steht vor der Tür, zwei Sicherheitsleute wandern auf und ab; Unbefugte dürfen die Halle nicht betreten, nicht einmal die Presse bei einem Spontanbesuch. Die Notunterkunft ist abgeschirmt, als wären die Flüchtlinge noch da.

Birkach ist nicht die einzige Unterkunft, die nun aufgelöst wurde. Insgesamt ziehen dieser Tage Flüchtlinge aus fünf Turnhallen, zwei Waldheimen, der Friedensschule und einem ehemaligen Bürogebäude an der Borsigstraße um. Die Stadt wolle die Menschen „angemessen unterbringen“, wie der Erste Bürgermeister Michael Föll sagt. Hallen wie die in Birkach seien von Anfang an nur eine Notlösung gewesen. „Ich freue mich, dass wir nun Wort halten können“, sagt Föll. Seine Kollegin, die Stuttgarter Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer, bedankt sich zudem bei Schulen und Sportvereinen, die in den vergangenen Monaten ohne die Hallen auskommen mussten. „Mit ihrer Bereitschaft haben auch sie sich bürgerschaftlich engagiert und sich gegenüber der Not der Flüchtlinge solidarisch gezeigt“, sagt Fezer.

Das Beste aus der Not gemacht

Gemeint ist damit auch der TSV Birkach. Als sich abgezeichnet hatte, dass die Alfred-Wais-Halle bis auf Weiteres als Sportstätte ausfällt, war der Aufschrei groß. Von heute aus betrachtet, ist es dem Verein offenbar gut gelungen, mit der Zwangslage umzugehen, so jedenfalls ist Tirza Bender zu verstehen, sie kümmert sich im TSV-Büro an der Taldorfer Straße um die Organisation der Kurse und musste im vergangenen Jahr viel herumtelefonieren. „Wir haben das Beste daraus gemacht“, sagt sie. Nur zwei Zeiten fürs Kinderturnen seien gestrichen worden, die anderen Angebote seien anderweitig untergekommen: zum Beispiel in Räumen der evangelischen Gemeinde, im Nikolaus-Cusanus-Haus, im Haus Birkach oder im Gemeindezentrum Asemwald. Die Mehrkosten für die Miete übernehme die Stadt.

Die Not hatte ungeahnte Folgen. So habe es den Tanzsportlern in der Neuapostolischen Kirche so gefallen, dass sie am liebsten bleiben würden, sagt Tirza Bender. Zudem habe sich eine Zumba-Kooperation entwickelt zwischen dem TSV Birkach und der Uni Hohenheim. Der Verein bezahlte die Trainerin, die Hochschule den Raum. „Das war eine tolle Sache“, sagt Bender. Eine so tolle, dass sie nicht enden soll. Auch wenn die Alfred-Wais-Halle nach der Reinigung und Instandsetzung von Herbst an wieder zur Verfügung steht.