Der neue Gesetzentwurf sieht eine Ausstiegsklausel aus Verträgen nach fünf Jahren vor. Das scheint sinnvoll bei Filmen und für die Internetverwertung, aber nicht generell bei Büchern.

Stuttgart - Das Gesetzesvorhaben des Bundesjustizministers Heiko Maas trägt einen schwierigen Titel und weckt dennoch starke Emotionen. Der Entwurf eines „Gesetzes zur verbesserten Durchsetzung des Anspruchs der Urheber und ausübenden Künstler auf angemessene Vergütung“ wird in einem Offenen Brief (www.offenerbrief.org) heftig kritisiert, den mehr als 250 unabhängige und Konzernverleger sowie prominente Autoren unterzeichnet haben. Hans Magnus Enzensberger, Navid Kermani, Durs Grünbein und Alexander Kluge stören sich daran, dass sie nach fünf Jahren ihre Verlagsverträge beenden können, sofern ihnen ein anderes Unternehmen bessere Konditionen bietet. Nanu? Denn die Regelung, heißt es, begünstige wenige Erfolgsautoren und gefährde kleine und mittlere Verlage. Autoren und Verlage wollen gemeinsam die Vielfalt des Buchmarkts bewahren.

 

Nun gilt der Gesetzentwurf für die gesamte Kultur- und Kreativwirtschaft: Film, Kunst, Rundfunk, Buch, Presse, Architektur, darstellende Künste, Software. Sie erwirtschaftet etwas mehr als die chemische und etwas weniger als die Automobilindustrie. Allerdings sind ihre Strukturen ganz anders: Einzelne Kreative, die Urheber, stehen zuweilen sehr großen Verlagen, Filmproduzenten, Sendern, Theatern gegenüber. Die Folge der ungleichen Verhandlungsposition sind magere Einkommen: Komponisten, Fotografen, Regisseure, Designer, Journalisten, Drehbuchautoren, Schriftsteller, bildende Künstler, Schauspieler verdienen trotz überdurchschnittlicher Qualifikation und großer zeitlicher Belastung meist um 1000, selten mehr als 2000 Euro netto monatlich. Diese unangemessene Vergütung soll die Novelle ändern und Verhandlungen auf Augenhöhe ermöglichen.

Bei vielen Verlagen liegen die Nerven ohnehin blank. Große Internetfirmen werden Konkurrenten, Amazon ist Online-Monopolist bei Büchern, erfolgreiche Selfpublisher machen alles selbst. Und die Verlage müssen wohl Millionen an die Verwertungsgesellschaft Wort zurückzahlen, die sie als Ausgleich für Kopien von Büchern erhielten: Ein Gericht in Belgien hat verneint, dass Verlage als Urheber wie Autoren zu behandeln seien. Da tut es gut, wenn sich die Autoren mit den Verlagen solidarisieren.

Ohne Risiko die Früchte ernten: das geht nicht

Der öffentliche Widerstand der medial gut vernetzten Branche gegen den Gesetzentwurf konzentriert sich auf die Ausstiegsklausel. Sie scheint sinnvoll bei Filmen und für die Internetverwertung, nicht bei Büchern. Ein Buch liegt nicht selten erst ein, zwei Jahre nach Vertragsunterzeichnung vor. Dann muss es bekannt gemacht werden, bevor Übersetzungen und Bearbeitungen als Lesung oder Film folgen, die die Anfangsinvestitionen finanzieren. Übernähme ein neuer Verlag nach fünf Jahren den Titel, erntete er ohne Risiko die Früchte dieser Arbeit.

Allerdings hat Justizminister Heiko Maas in einem Interview mit der Wochenzeitschrift „Die Zeit“ darauf hingewiesen, dass die Buchbranche die Ausstiegsklausel gemeinsam ausschließen könne. Der Politik ist an solchen Vereinbarungen zwischen Kreativen (Urhebern) und Verlagen (Verwertern) gelegen. Sie sah sie schon 2002 vor, als sie gegen den heftigen Widerstand der Verleger, die die Bundesregierung mit Stalin verglich, das Urhebervertragsrecht reformierte. „Angemessene“ Honorare sollte es den Kreativen verschaffen durch gemeinsam vereinbarte Vergütungsregeln ähnlich einem Tarifvertrag. Doch erst 12 Jahre später erreichten die literarischen Übersetzer eine Übereinkunft – mit nur wenigen Verlagen. Und die Autoren segneten nach Jahren der Scharmützel die üblichen mageren Honoraren ab. Heiko Maas’ Novelle des Urhebervertragsrechts – vom Bundesverfassungsgericht bejaht, von Verlegern als verfassungswidriger Eingriff in die Vertragsfreiheit gegeißelt – ist ein neuer Anlauf, die Position der Kreativen zu stärken.

Übersetzer geht das neue Gesetz nicht weit genug

Hinter den Kulissen wehren sich die Buchverleger auch gegen andere Gesetzesneuerungen. Sie warnen vor bürokratischen Monstern, weil Verlage Lizenzeinnahmen detailliert nachweisen und mehrfache Nutzungen eines Werkes auch mehrfach bezahlen sollen. Den Übersetzern (www.literaturuebersetzer.de) und der gewerkschaftlichen Initiative Urheberrecht (www.urheber.info) dagegen geht die Novelle nicht weit genug: Sie wünschen sich einen verbindlichen Schlichterspruch und ein umfassendes Klagerecht für Verbände. Muss nämlich ein Kreativer in eigener Sache gegen Verwerter vor Gericht gehen, sieht die berufliche Zukunft schwarz aus.

Das Urhebervertragsrecht 2002 war ein sozialpolitischer Schwerpunkt der Schröder-Regierung. Auf Druck der Verwerter wurden viele Details geändert, weshalb Justizministerin Hertha Däubler-Gmelin sie damals im Bundestag an ihre Versprechen erinnerte, Vergütungsregeln abzuschließen, und ankündigte nachzulegen, falls notwendig. Damals wurde übrigens in letzter Minute auch eine Ausstiegsklausel gestrichen. Kreative sollten Verträge kündigen können, in denen sie länger als dreißig Jahre ihre Rechte an einem Werk abtreten. Solche Abschlüsse sind weiterhin legal.