Nach wie vor hat die NPD in Sachsen ihre Hochburgen. Ihre Struktur hat sich allerdings verändert.

Dresden - Ostsachsen, der sich ausdünnende Landstrich zwischen Dresden und Görlitz, erwies sich bei der Bundestagswahl wieder als Region der Extreme. Die Alternative für Deutschland, AfD, wurde hier viertstärkste Partei und übertraf mit 6,8 Prozent die in der Landesregierung sitzende FDP (3,1) um mehr als das Doppelte. Im Dreiländereck an der Neiße erzielten die Eurokritiker sogar ihre bundesweit höchsten Werte. In Dürrhennersdorf bei Löbau kam sie auf stolze 15,6 Prozent.

 

Auch die rechtsextreme NPD, die nur noch unter „Sonstige“ geführt wird, punktete in Sachsen stärker als die Liberalen. Landesweit 3,3 Prozent bedeuten zwar einen Rückgang gegenüber 2009 um 0,7 Prozent, doch in ihren Stammgebieten blieb die NPD unbeschädigt. Ihre besten Erststimmenergebnisse holte sie in der Sächsischen Schweiz (6,6 Prozent), gefolgt von Görlitz (5,6), Erzgebirge (5,3) und Bautzen (4,8). Andere ostdeutsche NPD-Hochburgen fielen dagegen ab.

Noch immer werden die Rechten verharmlost

Für den Politikwissenschaftler Werner Patzelt von der TU Dresden rühren die sächsischen Ergebnisse aus einer tiefen Verankerung der NPD-Aktivisten „im vorpolitischen Raum“. Sie agierten in der Freiwilligen Feuerwehr, der Blaskapelle oder im Sportverein. Zuweilen handle es sich auch um gut integrierte Handwerksmeister oder Gastwirte, die ihren Mitbürgern dann signalisierten: „Seht, wir sind auch nicht anders als andere. Habt keine Angst, schließt euch uns an!“ So sei es in einigen Regionen für viele Protestwähler ganz normal, das Kreuz bei den Braunen zu machen.

Selbst Politiker anderer Parteien neigen zuweilen dazu, rechtsextreme Aggression zu verharmlosen. Als Neonazis im September eine Gruppe junger Hamburger, die durch die Sächsischen Schweiz tourte, überfiel und zwei von ihnen krankenhausreif prügelte, sorgte sich der CDU-Direktkandidat Klaus Brähmig vor allem wegen der Negativschlagzeilen. „Die Sächsische Schweiz ist kein Neonazi-Nest. Es gibt keinen Grund, nicht zu uns zu kommen“, erklärte er. Er sprach von „Einzeltätern“, nannte den Überfall „unangenehm“ und warnte vor Stigmatisierungen. Denn Brähmig ist auch Chef des regionalen Tourismusverbandes. Und nach der Attacke hatte es Stornierungen sowie Boykottaufrufe gegen die Sächsische Schweiz gegeben.

Auch in anderen ostdeutschen Ländern sind Tendenzen zu verfolgen, dass sich rechtsextreme Aktivisten ins zivilbürgerliche Leben buchstäblich einkaufen. Sie kaufen oder pachten Immobilien, um im ländlichen Raum besser Fuß zu fassen. Laut einer Antwort des Bundesinnenministerium auf eine Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion sicherten sich Neonazis in den letzten Jahren die Nutzung für 260 Häuser, Hallen oder Läden. Die meisten davon liegen in Sachsen (48), gefolgt von Thüringen (27) und Bayern (26).

Die NPD schwächelt, aber die Rechte bleibt gefährlich

Beobachter aus der Antifa-Szene führen diesen Trend auch darauf zurück, dass etablierte NPD-Strukturen zerbröseln. Oft steckten hinter diesen Immobiliendeals „freie Kräfte“, die sich teils bewusst von der NPD distanzieren. Denn seit deren Bundeschef Holger Apfel – er leitet zugleich die Fraktion im Sächsischen Landtag – vor einiger Zeit seine Strategie einer „seriösen Radikalität“ verbreitete, wenden sich braune Hardliner verstärkt ab. Damit geht der NPD gerade im Osten auch der Einfluss auf jene regionalen Gruppen verloren.

Auch der sächsische Verfassungsschutz sieht die rechtsextreme Szene im Wandel. Er bestätigt den Trend, wonach dem Fehlen intakter NPD-Strukturen in großen Teilen des Landes gefährliche Aktivitäten einzelner Gruppen gegenüberstehen. Diese seien „sehr aktiv, gewaltbereit und straff geführt“. Allerdings fänden sich auch hier oft an der Spitze einzelne NPD-Mitglieder, die teils in Kommunalparlamenten sitzen. Diese Gruppen träfen sich nun verstärkt überregional zu Fußballturnieren, Partys und Konzerten. Auffallend am sächsischen Wählerverhalten war auch, dass dort, wo die NPD stark war, auch die AfD überdurchschnittlich punktete. Über die Ursachen streiten die Experten noch. Für einige gilt als denkbar, dass eine rechtsextrem eingestellte Klientel ihre Stimmen splittete, weil die AfD ohne Direktkandidaten antrat. Andere, zu denen auch Patzelt gehört, halten dies für nicht belegbar. Zwar hatten NPD-Obere die AfD schon gleich nach deren Gründung als „Türöffner“ für eigene Positionen gefeiert. Doch eine versuchte Unterwanderung ging bisher schief.