Das ehemalige Parkhotel Silber, das zu NS-Zeiten als Gestapozentrale diente, soll jetzt ein Projekt von Land und Stadt werden.

Stuttgart - In ihrer Haushaltsrede vor dem Gemeinderat hat Ulrike Küstler (Linke) dieser Tage nur allgemeines Kopfschütteln geerntet: "Ich bin sehr besorgt darüber, dass das Hotel Silber jetzt der Firma Breuninger gehört, nachdem sie das Innenministerium am Karlsplatz gekauft hat." Durch heftige Zwischenrufe wurde die Stadträtin sofort korrigiert: das Hotel Silber, die Dorotheenstraße 10, hat mit dem überraschenden Verkauf des benachbarten Innenministeriums an Breuninger rein gar nichts zu tun - es bleibt im Besitz der Landesstiftung. Sein Abriss ist bereits seit Wochen vom Tisch.

 

Offen allerdings ist nach wie vor die historisch-inhaltliche Konzeption für das Hotel Silber - während des "Tausendjährigen Reiches" ein Ort des Grauens, an dem Verhöre stattfanden, gefoltert und auch gemordet wurde. Hier und im benachbarten Innenministerium saßen die Schreibtischtäter, die die Verfolgung und die Deportation von Tausenden jüdischer Mitbürger, politisch Andersdenkender, aber auch von Homosexuellen sowie von Sinti und Roma organisiert haben.

Deshalb fordern die Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber, in der 14 Gruppen vereinigt sind, aber auch viele Kommunal- und Landespolitiker sowie Prominente aus ganz Deutschland seit Langem, das Gebäude der Forschung und der Information über die Nazizeit zu widmen.

"Das Land muss nun sagen, was mit dem Gebäude geschehen soll"

Der aktuelle Sachstand: Oberbürgermeister Wolfgang Schuster hat im September den Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) in einem Brief darum gebeten, sich persönlich des Themas Hotel Silber anzunehmen. Markus Vogt, Schusters Pressesprecher, sagte am Montag: "Der Oberbürgermeister ist mit dem Land im Gespräch - ein Ergebnis gibt es noch nicht. Das Land muss nun sagen, was mit dem Gebäude geschehen soll."

Die Kulturbürgermeisterin Susanne Eisenmann (CDU) erklärte auf Anfrage: "Das Hotel Silber gehört bekanntlich dem Land, also ist es jetzt die Aufgabe des Landes, uns mitzuteilen, wie es weitergehen soll." Zunächst einmal, so die Bürgermeisterin, müssten wohl ein inhaltliches Konzept erarbeitet und die Kosten ermittelt werden.

Dazu gehöre auch die Frage, in welcher Weise die Stadt Stuttgart sich an dem Projekt beteiligen werde; der Oberbürgermeister habe dem Ministerpräsidenten die Mitarbeit des Stadtarchivs sowie des Planungsstabes für das neue Stadtmuseum im Wilhelmspalais angeboten.

 Kauf der einstigen Gestapozentrale wird ausgeschlossen

Die Bürgermeisterin erklärte darüber hinaus, dass der auf Antrag des Gemeinderats schon vor geraumer Zeit eingesetzte "Beirat zur Vermittlung der Geschichte des Nationalsozialismus in Stuttgart" erst dann wieder zusammentreten werde, wenn der Ministerpräsident seine Vorschläge zur Zukunft des Hotels Silber gemacht habe.

Für das Land wiederum gehe es offenkundig darum, dieses Gebäude und seine künftige Nutzung in das Gesamtkonzept aller Gedenkstätten in Baden-Württemberg einzufügen. Zugleich gehe es der Stadt darum, das Konzept für das geplante Stadtmuseum im Wilhelmspalais mit dem Konzept für das Hotel Silber abzustimmen. Ein Kauf der ehemaligen Gestapozentrale durch die Stadt schloss Eisenmann aus.

Wie berichtet, hatte Harald Stingele, der Sprecher der Initiative Lern- und Gedenkort, den Rat aufgefordert, gemeinsam mit dem Land eine Stiftung zur Trägerschaft des Projekts zu gründen und im Doppelhaushalt 2012/13, der jetzt verhandelt wird, erste Planungsgelder einzustellen. Bisher hat nur die Fraktion SÖS/Linke dies zu ihrem Antrag erhoben. Die anderen Ratsfraktionen wollen zunächst die Stellungnahme des Ministerpräsidenten abwarten. Auch über die Forderung der Initiative, den erwähnten Beirat durch ein unabhängiges Gremium zu ersetzen, wird zu einem späteren Zeitpunkt entschieden. Möglicherweise wird das Land zunächst einen

Runden Tisch zum Thema einberufen. Die Geschichte des Hotels Silber an der Dorotheenstraße

Historie 1845 als Gasthaus Zum Bahnhof gebaut, betrieb der Hotelier Heinrich Silber von 1874 bis 1919 sein Parkhotel Silber als noble Stuttgarter Herberge. Daher stammt bis heute der Name. Bis 1928 war das Gebäude an der Dorotheenstraße der Sitz der Deutschen Reichspost, dann wurde es Polizeipräsidium, von 1937 an Sitz der Geheimen Staatspolizei (Gestapo). 1945 zog erneut die Polizei ein, seit 1984/85 sind Dienststellen des Innenministeriums darin untergebracht. Dieses Ministerium zieht 2012 in seinen Neubau an der Willy-Brandt-Straße. Teile des Hotels Silber wird das Land möglicherweise weiter als Büros nutzen.

Information Die Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber betreibt eine Internetseite unter www.hotel-silber.de, weitere Informationen gibt es unter www.stolpersteine-stuttgart.de. In dem Buch "Der Fall Silber", erschienen im Peter-Grohmann-Verlag, ist der bürgerschaftliche Kampf um den Erhalt dokumentiert.


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