Es gab Dinge, zu denen gab der Mainaugraf keine Auskunft. Nach Jahrzehnten des Wegschauens stellt sich die Adelsfamilie Bernadotte aber nun ihrer NS-Geschichte.

Insel Mainau - Es gab Dinge, zu denen gab der als leutselig bekannte Mainaugraf keine Auskunft. Und wenn sich Lennart Graf Bernadotte äußerte, dann nur sehr knapp und zurückweisend. Zu den dunklen Flecken gehört die Geschichte der Blumeninsel während der NS-Zeit. Diese war für den ehemaligen schwedischen Prinzen Bernadotte weniger ruhmreich verlaufen als andere Lebensphasen. Doch selbst nach seinem Tod ist das Vergessen nicht eingetreten. Ganz aktuell sind die verdrängten Jahre wieder ins Bewusstsein gerückt.

 

Die Insel im Bodensee hatte der Organisation Todt des Rüstungsministers Albert Speer und danach dem Vichy-Regime um die schillernde Figur Jacques Doriot gedient. Die Organisation Todt war eine nach ihrem Chef Fritz Todt benannte Bautruppe, die für Wehranlagen und Rüstungsprojekte in großem Maßstab Zwangsarbeiter und KZ-Gefangene einsetzte. Nach dem ursprünglichen Plan sollte auf der Mainau ein exklusives Erholungsheim für höhere Offiziere und Rüstungsindustrielle entstehen. Dafür wurde das Schloss renoviert und teures französisches Mobiliar herbeigeschafft. Wegen der heranrückenden Alliierten wurden die Pläne nie verwirklicht.

Französische KZ-Häftlinge fanden hier den Tod

Nach Kriegsende nutzte die französische Militärregierung die Mainau und auch die Reichenau, um kranke französische KZ-Häftlinge aus Dachau und anderen Konzentrationslagern kurieren zu lassen. Kurz vor der Befreiung war in Dachau Typhus ausgebrochen, und die Franzosen brauchten abgeschlossene Areale, um die möglicherweise Infizierten unter Quarantäne zu halten. Rund 4000 Häftlinge waren so, ausgemergelt und oft schwerstkrank, an den Bodensee gekommen. Während die weniger Geschwächten auf der Reichenau untergebracht wurden, kamen die schweren Fälle auf die Mainau. 33 dieser KZ-Opfer sind hier an den Folgen der Lager gestorben. Graf Lennart hatte diese Toten bereits 1946 exhumieren und auf den Konstanzer Friedhof umbetten lassen. Später wurden die sterblichen Überreste nach Frankreich zurückgebracht.

Graf Lennart hatte die Mainau als kleines Paradies gedacht. Wegen der Heirat mit seiner ersten Frau Karin Nissvandt, einer Bürgerlichen, war er aus der schwedischen Thronfolge ausgeschieden und hatte stattdessen 1932 die verwilderte Insel Mainau übertragen bekommen. 1907 war das Eiland durch Einheirat vom Haus Baden auf das schwedische Königshaus übergegangen. Der damals 23-Jährige Lennart, der schon oft auf der Insel seine Ferien verbracht hatte, fand Gefallen daran, die Mainau zu einem Fremdenverkehrsort aufzubauen.

Nazis versorgten die Insel mit Gästen

Unter den Nazis kam das Geschäft mit dem Fremdenverkehr voran - auch weil die nationalsozialistische Freizeitorganisation "Kraft durch Freude" (KdF) den Grafen tatkräftig unterstützte, wie der Konstanzer Historiker Arnulf Moser herausgefunden hat. 1935 verzeichnete die Gästestatistik demnach bereits 50.000 Besucher.

Der frühere Gymnasiallehrer Moser hatte schon früh darauf verwiesen, dass der nach Kriegsausbruch in sein Geburtsland Schweden zurückgekehrte Graf Lennart von den Nazis vielfach profitierte. Die Organisation Todt zahlte Bernadotte 5000 Reichsmark Pacht. Für ihn ein gutes Geschäft, da im Krieg kaum noch Gäste kamen. In seinem Buch "Die Mainau. Chronik eines Paradieses" gab der Mainaugraf an, er sei gezwungen gewesen, die Insel an die Nazis zu verpachten. Dazu aber hat der Historiker Moser in dem Schriftwechsel zwischen Bernadotte, dem damaligen Konstanzer Oberbürgermeister und dem Rüstungsminister Speer keinerlei Hinweise gefunden. Ebenso wenig für die ebenfalls vom Grafen verbreitete Geschichte, Speer habe die Mainau nach dem Endsieg als Trophäe für sich reserviert und ihn unter Druck gesetzt. Nach seiner Haft von Moser befragt, behauptete Speer, eine Nötigung habe es nicht gegeben, das erklärte auch der frühere Verwalter der Insel.

Nazizeit auf Website ausgespart

Moser hat auch schon früh auf die auf der Mainau gestorbenen KZ-Opfer hingewiesen und eine würdige Gedenkstätte angemahnt - so in seinem 1995 erschienen Werk "Die andere Mainau 1945". Geschehen ist nichts. "Wir wurden sehr kühl zurückgewiesen", erinnert sich Moser an die abweisende Haltung des Grafenpaares. Das Desinteresse erstaunt wenig, denn in der offiziellen Inselchronik auf der Website, die seit der Besiedlung "um 3000 v. Chr." geführt wird, wird die Nazizeit von 1933 bis 1945 ausgespart.

Doch nun ist Bewegung in die Sache gekommen. Denn seit Kurzem sehen sich die fünf Kinder des 2004 im Alter von 95 Jahren gestorbenen Graf Lennart und der 2008 ihrer Krebserkrankung erlegenen Gräfin Sonja Bernadotte auch in der größeren Öffentlichkeit der Forderung ausgesetzt, endlich würdig an die 33 KZ-Opfer zu erinnern. Es existiert mittlerweile sogar eine Unterschriftenliste mit mehr als hundert Namen, auf der sich auch die Unterschriften honoriger Bürger der Stadt Konstanz finden sollen.

"Würdige Form des Gedenkens"

Ausgelöst hat das neuerliche Interesse an der unterbelichteten Vergangenheit der adeligen Familie die Deutsch-Französische Vereinigung, die sich im März 2011 in einem offenen Brief an die Nachfahren Graf Lennart Bernadottes wandten. Sie beklagten darin, dass man auf der Insel keine Hinweistafel oder sonst irgendeine Erinnerung an die französischen KZ-Opfer vorfinde. Viele Monate lang ließen die Bernadottes nichts von sich hören, doch als immer mehr Medien berichteten, hatten es die Verantwortlichen mit einem Mal ganz eilig. "Selbstverständlich werden wir uns auch diesem Kapitel der Inselgeschichte stellen", schrieben die neuen Inselchefs, die Geschwister Gräfin Bettina und Graf Björn Bernadotte zurück. Zunächst aber haben sie eine dreiköpfige Expertenkommission eingesetzt, die die im Dunkeln gehaltene NS-Geschichte aufarbeiten soll. Lothar Burchardt, emeritierter Historiker der Universität Konstanz, Tobias Engelsing, Direktor der Städtischen Museen, und der Leiter des Stadtarchivs, Jürgen Klöckler, sollen zunächst ein Gesamtkonzept vorlegen. Man werde "auch eine würdige Form des Gedenkens an diese Menschen" - gemeint sind die KZ-Opfer - vorsehen, heißt es.

Die Mainau - Attraktion am Bodensee

Firma: Die Insel Mainau GmbH ist eine mittelständische Firma, die ganzjährig rund 150 und in der Blumensaison März bis Oktober 300 Mitarbeiter beschäftigt. Haupteinnahmequelle sind Eintrittsgelder.

Gräfin: Bettina Bernadotte ist die Geschäftsführerin.

Angebot: Die Insel ist eine der Hauptattraktionen am Bodensee und zählt im Jahr mehr als 1,2 Millionen Besucher. Sie bietet eine Mischung aus botanischem Garten, historischem Schlosspark und Ort der internationalen Begegnung. Es gibt acht Gastronomiebetriebe, Ausstellungen, Konzerte, Tagungen und andere Events.

Termin: Das Schweizer Fernsehen SF1 zeigt am Donnerstag, 5. Januar, um 20.05 Uhr die Dokumentation der Autorin Andrea Maria Pfalzgraf Aebischer "Der junge Graf und seine Schwestern - Die Bernadottes auf der Insel Mainau".