Die umstrittenen Spählisten der NSA bleiben eine geheime Angelegenheit. Nicht einmal die zuständigen Abgeordneten werden alle Einblick erhalten.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Wann kommt Licht ins Dunkel der Spionage-Affäre? An diesem Mittwoch muss der Chef des Kanzleramts den Geheimdienstkontrolleuren des Bundestags wieder Rede und Antwort stehen. Es ist aber nicht damit zu rechnen, dass er ihnen das Corpus Delicti präsentieren wird: die Liste der Suchbegriffe, nach denen der US-Geheimdienst NSA den Bundesnachrichtendienst (BND) spionieren ließ. Die Opposition und die SPD pochen darauf, diese so genannten Selektoren vorgelegt zu bekommen. Auch aus der Union gibt es vereinzelte Stimmen, die das verlangen. Anders sei ein eventuelles Fehlverhalten des BND nicht zu bewerten.

 

Die Bundesregierung habe sich bisher nicht darauf verständigt, wie sie mit den heiklen Listen verfahren wolle, hieß es am Dienstag aus Sicherheitskreisen. „Wenn man sich für eine Offenlegung entscheidet, dann so, dass auch die Geheimhaltung gewahrt bleibt“, sagt Michael Grosse-Brömer, der Parlamentsgeschäftsführer der Unionsfraktion. Der Umstand, dass geheime Unterlagen regelmäßig in die Öffentlichkeit gelangten, spreche für ein Verfahren, das dies ausschließe. Diskutiert wird unter anderem, ob der NSA-Untersuchungsausschuss und das Parlamentsgremium zur Kontrolle der Geheimdienste einen Sonderermittler bestimmen könnten, der Einblick in die NSA-Listen erhält. Diese Idee brachte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann ins Spiel.

Eine andere Variante wäre das so genannte Treptow-Verfahren, benannt nach dem Berliner Vorort, in dem das Terror-Abwehrzentrum von Polizei und Nachrichtendiensten seinen Sitz hat. Dort könnte den Obleuten Einblick in die geheimen Dokumente gewährt werden. Diese Praxis hat sich zu Zeiten des NSU-Ausschusses eingespielt. Bedingung dabei ist aber, dass keine Aufzeichnungen angefertigt werden.

Opposition: „Versuch der Entrechtung des Parlaments“

Gegen beide Varianten verwahrt sich die Opposition. Konstantin von Notz, der Grünen-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss, nannte ein solches Vorgehen „abwegig und ungesetzlich“. Sein Kollege Hans-Christian Ströbele bewertete das Verhalten der Regierung als „Versuch der Entrechtung des Parlaments“. Die Mitglieder des Untersuchungsausschusses und des Kontrollgremiums wären im Nachteil gegenüber den Zeugen aus den Geheimdiensten, welche die Selektoren kennen. Ähnlich argumentiert die Linksfraktion. Eine Offenlegung gegenüber den Obleuten unter den Bedingungen des Treptow-Verfahrens sei „in keiner Weise das, was dem Untersuchungsausschuss zusteht“, so die Abgeordnete Martina Renner.

Bis jetzt ist offen, ob die Regierung mit Rücksicht auf die Amerikaner überhaupt den Schleier der Geheimhaltung lüften wird – und wenn ja: welche und wie viele Selektoren das Kontrollgremium zu Gesicht bekommen soll, vom Untersuchungsausschuss ganz zu schweigen. Die Linksfraktion spricht inzwischen von acht bis neuen Millionen NSA-Suchbegriffen, mit denen der BND gearbeitet habe. Ein hoher Anteil sei keiner bestimmten Nationalität zuzuordnen. Die Rede ist von 40 Prozent. Damit sei auch nicht auszuschließen, dass sich darunter deutsche Firmen oder deutsche Staatsbürger befinden.